NSA-Skandal: Bundesregierung orderte 12.000 Krypto-Handys

Der Bund hat deutlich mehr Mobiltelefone mit Verschlüsselungsfunktion beschafft. Er sieht sich zudem berechtigt, militärische US-Liegenschaften hierzulande auf Spionageeinrichtungen zu untersuchen.

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Der Bund hat sein Reservoir an Krypto-Handys deutlich aufgestockt. Hatte die Bundesregierung vor drei Jahren erst rund 2000 Geräte mit Verschlüsselungsfunktionen für Sprach- und Datenkommunikation angeschafft, sind es inzwischen 12.000. Dies geht aus einer jetzt veröffentlichen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken hervor.

Die Geräte stünden allgemein für den Betrieb in der Bundesverwaltung zur Verfügung, heißt es darin weiter. Für den konkreten Einsatz der Smartphones und sonstigen Mobiltelefone seien die Ressorts aber "jeweils eigenverantwortlich". Nähere Auskünfte, wer derart ausgestattet ist, erteile man nicht. Solche Informationen gehörten zum "innersten Kernbereich exekutiven Handelns". Daraus ließe sich etwa ableiten, in welchem Ausmaß man zu geheimhaltungsbedürftigen Inhalten kommunizieren. Auch seien Rückschlüsse auf das Kommunikations-, Abstimmungs- und Entscheidungsverhalten der Exekutive möglich.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Im Herbst war die hiesige Auseinandersetzung um den NSA-Skandal neu hochgekocht nach Meldungen, dass der US-Geheimdienst auch die Bundeskanzlerin überwacht hatte. Angela Merkel telefonierte bis dahin häufig nicht nur über ihr Krypto-Handy, sondern etwa in Parteiangelegenheiten über ein ungesichertes Gerät.

Nach Angaben der Bundesregierung hat das Innenressort eine Verschlusssachenanweisung erlassen. Danach müssten in der Regel Mobiltelefone mit Krypto-Funktionen genutzt werden, wenn vertrauliche Dokumente mithilfe von Handys übertragen würden. In Ausnahmefällen sei aber auch eine unverschlüsselte Kommunikation gestattet. Dies hänge unter anderem davon ab, ob der Empfänger die Inhalte entschlüsseln könne oder ob Verzögerungen zu Schäden führen könnten. Man sei sich bewusst, dass GSM-basierte Mobilfunkkommunikation grundsätzlich angreifbar sei.

Prinzipiell stehe der Forschungs- und Industriestandort Deutschland seit Jahren im Fokus konkurrierender Unternehmen und fremder Nachrichtendienste, hält das federführende Innenministerium in dem Schreiben fest. Die Enttarnung professionell durchgeführter Wirtschaftsspionage sei aber "äußerst schwierig". Mögliche Bedrohungen der eigenen Kommunikationssysteme hätten die hiesigen Sicherheitsbehörden analysiert.

Die US-Regierung zeigt sich in diesem Prozess nach wie vor nicht besonders aussagefreudig, wie Berlin einräumt. So habe das Innenressort Ende Oktober mit einem Schreiben an den US-Botschafter John Emerson um eine Erklärung gebeten. Darauf liege aber ebenso noch keine Antwort vor wie auf einen im Juni bei der Vertretung eingereichten Fragenkatalog. Auch die Aussageersuchen, die das Justizministerium im gleichen Monat an den US-Justizminister Eric Holder gesandt habe, seien bislang unerwidert geblieben.

Die Bundesregierung prüft dem Papier zufolge weiter, ob an US-amerikanischen und britischen Auslandsvertretungen hierzulande "statuswidrige Aktivitäten" stattfinden, die gegen internationale diplomatische Verträge verstoßen. Der Generalbundesanwalt Harald Range aber habe in diesem Rahmen noch keine Botschaftsmitarbeiter kontaktiert. Die Linke bohrte nach und erhielt aus Berlin den Bescheid, dass deutsche Behörden das Recht hätten, auch militärische Liegenschaften der USA zu kontrollieren, falls sie dies für erforderlich hielten. Derlei Kontrollen "gehörten zur Wahrnehmung deutscher Belange", meldet die Berliner Zeitung unter Verweis auf die neue Drucksache der Bundesregierung. In Eilfällen und bei Gefahr in Verzug müsse dazu auch der "sofortige Zutritt ohne vorherige Anmeldung" gewährt werden.

Der Vizefraktionsvorsitzende der Linken, Jan Korte, monierte, dass der Bund von diesem Recht bislang offenbar nicht Gebrauch gemacht habe. Insgesamt sei der Umgang mit den Spionageskandal "völlig inakzeptabel". Die Opposition will die Aufklärung nun mit dem geplanten NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag teils selbst stärker mit in die Hand nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion hat ihren bisherigen Widerstand zu dessen Einsatz inzwischen aufgegeben. Wenn Linke und Grünen der Ansicht seien, dass das Gremium hilfreich sein könne, "werden wir uns dem nicht verschließen", versicherte der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer. Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann den Ausschuss als "unausweichlich" bezeichnet. (mho)