Karlsruhe verhandelt über Wahlcomputer

Das Bundesverfassungsgericht hat für den 28. Oktober eine mündliche Verhandlung über die Wahlprüfungsbeschwerden gegen die Verwendung von Nedap-Wahlcomputern bei der letzten Bundestagswahl angesetzt.

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Von
  • Richard Sietmann

Das Bundesverfassungsgericht hat für den 28. Oktober eine mündliche Verhandlung über die Wahlprüfungsbeschwerden gegen die Verwendung von Nedap-Wahlcomputern bei der letzten Bundestagswahl angesetzt. Die Beschwerden in Karlsruhe hatten der Frankfurter Physiker und Software-Experte Dr. Ulrich Wiesner sowie sein Vater, der emeritierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Wiesner im Februar 2007 eingelegt, nachdem der Deutsche Bundestag im Dezember 2006 auf Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses ihren Einspruch gegen die Verwendung von Wahlcomputern der Bauarten Nedap ESD 1 und ESD 2 im September 2005 bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen hatte.

Sie beanstanden, dass der Einsatz der rechnergesteuerten Wahlgeräte verfassungswidrig sei, weil er gegen den aus dem Demokratieprinzip folgenden Öffentlichkeitsgrundsatz verstoße, denn weder die Wählenden noch die Wahlvorstände könnten kontrollieren, ob alle von den Wählern abgegebenen Stimmen – und nur diese – unverändert im Stimmenspeicher abgelegt und inhaltlich unverändert zur Ermittlung des Wahlergebnisses berücksichtigt werden. Weder der Quellcode der Wahlgerätesoftware noch die Prüfberichte und -unterlagen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt seien veröffentlicht worden; die Prüfung der Baumuster durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Zulassung der Bauart durch das Bundesministerium des Innern habe ohne Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden.

Darüber hinaus sei es mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar, dass die Übereinstimmung der in den Wahllokalen eingesetzten Wahlgeräte mit dem geprüften Baumuster nicht bei jedem einzelnen Wahlgerät amtlich überprüft werde, sodass sich die Behörden im Wege des Outsourcing der Wahl auf die Qualitätssicherung beim Hersteller verlassen würden und auch sonst keinen hinreichenden Schutz vor Manipulationen, insbesondere nicht durch Innentäter, garantieren könnten.

Da die eingesetzten Wahlgeräte offensichtlich technische und konstruktive Sicherheitsmängel aufwiesen, wie der Nedap-Hack vom Oktober 2006 an baugleichen Geräten in den Niederlanden gezeigt hatte, habe der Einsatz gegen die Wahlrechtsgrundsätze aus Art. 38 Abs. 1 GG ("Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt") verstoßen; die Geräte würden nicht einmal den im Anhang zur Bundeswahlgeräte-Verordnung (BWahlGV) enthaltenen "Richtlinien für die Bauart von Wahlgeräten" genügen.

Eine mündliche Verhandlung über Wahlprüfungsbeschwerden ist nach Paragraf 48 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht zwingend vorgeschrieben, sie kann jedoch durchgeführt werden, wenn dies der weiteren Sachaufklärung dient. (Richard Sietmann) / (pmz)