"Computerspiele(r) verstehen": Forscher weist Vorwürfe zu großer Branchennähe zurück

Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen warf dem Computerspiel-Buch der Bundeszentrale für politische Bildung eine verharmlosende Darstellung vor. Die meisten Autoren gebärdeten sich wie Lobbyisten der Computerspiel-Industrie.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Kölner Herausgeber des von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) gestoppten Buches "Computerspiele(r) verstehen", Jürgen Fritz, hat Vorwürfe einer Nähe zur Computer-Industrie zurückgewiesen. "Dieser Vorwurf ist absurd", sagte der Professor für Spielpädagogik von der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln gegenüber dpa. "Auch der Vorwurf des Unkritischen trifft nicht zu."

Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, hatte Fritz und einem Kölner Kollegen in mehreren Medienberichten eine verharmlosende Darstellung der Wirkung von Computerspielen vorgehalten. Die meisten Autoren des Buches, das die Bundeszentrale für politische Bildung seit März vertrieben hatte, gebärdeten sich wie Lobbyisten der Computerspiel-Industrie. Pfeiffer hatte schon früher mit Postionen in die Debatte um sogenannte "Killerspiele" eingegriffen, die für viel Aufregung in der Politik sorgten, von der Computerspiel-Branche aber als unhaltbar zurückgewiesen wurden. Auch Pfeiffers Kritik an einer angeblich zu laxen Kontrolle bei der Zulassung von Spielen durch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) wollten etwa USK-Prüfer nicht auf sich sitzen lassen, war aber eine Grundlage für die Debatte um eine neue Struktur der USK.

Fritz sagte, das Buch richte sich an Pädagogen und Eltern. "Wir wollen diesen Lesern begreiflich machen, was die Kinder und Jugendlichen spielen und warum." Es gehe darum, zu vermitteln, warum oft eine solche Faszination von den Computerspielen ausgehe und wie man pädagogisch gegensteuern könne, wenn ein Kind in eine Problemzone komme. "Wir sind dabei durchaus sehr kritisch vorgegangen, wir verharmlosen nichts, und wir zeigen auch, welche mentale Kraft nötig ist, um einer Abhängigkeit entgegenzuwirken." Es werde aber in den Aufsätzen nicht das "Menschenbild" verbreitet, "das Kinder und Jugendliche als hilflose Opfer einer Computer-Industrie" sehe.

Er gehe davon aus, dass das nun zurückgezogene Buch bald wieder von der Bundeszentrale vertrieben werden könne, sagte Fritz. Bedingung sei das "Heilen eines Falls von Urheberrechtsverletzung". Sein Kollege Prof. Winfried Kaminski habe eingeräumt, in seinem Buch-Beitrag "unsauber" vorgegangen zu sein und aus dem Internet zitiert zu haben, ohne dies kenntlich zu machen. Dies müsse behoben werden, betonte Fritz gegenüber dpa.

Kritisiert worden waren auch finanzielle Zuwendungen der Computerindustrie für das Institut zur Förderung der Medienkompetenz an der FH, das Fritz und Kaminski leiten. Es sei richtig, dass das Institut von Electronic Arts und von Nintendo Deutschland finanziell unterstützt werde, sagte Fritz. "Diese greifen aber nicht in unsere Forschungsarbeit ein, und das Geld fließt auch nicht direkt an unser Institut, sondern über die FH, die ja Teil des Landes NRW ist." 2007 erhielt die FH von Nintendo und EA 200.000 Euro für seine medienpädagogische Arbeit. Weitere knapp 50.000 Euro flossen der FH seitens EA für eine Fachtagung zu.

Siehe dazu auch:

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(jk)