Das 3-Milliarden-Dollar-Ding

Ein Hersteller von Thermostaten und Rauchmeldern war dem Internet-Giganten Google jüngst die zweitteuerste Übernahme seiner Geschichte wert. Was hat das Start-up Nest, was andere nicht haben? Unser Autor hat die Firma besucht.

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Von
  • Tom Simonite

Ein Hersteller von Thermostaten und Rauchmeldern war dem Internet-Giganten Google jüngst die zweitteuerste Übernahme seiner Geschichte wert. Was hat das Start-up Nest, was andere nicht haben? Unser Autor hat die Firma besucht.

Vor sieben Jahren glaubte Tony Fadell, er könne die Zukunft sehen. Da war er hochrangiger Manager bei Apple, hatte unter anderem den iPod geschaffen und für die Entwicklung des iPhones, das gerade auf den Markt kommen sollte, eine wichtige Rolle gespielt. Er war überzeugt, dass die Leute bald emotionale Bindungen zu den internetfähigen Computern in ihren Hosentaschen entwickeln würden. Diese Bindung war ihm auch bei einem ehrgeizigen Privatprojekt wichtig: dem Bau eines energieeffizienten Traumhauses nahe dem Lake Tahoe in Kalifornien.

Fadell fragte sich: „Wie muss ich mein Haus planen, wenn das Gerät in meiner Tasche die wichtigste Schnittstelle zur Welt ist?“ Alle technischen Elemente des Hauses vom Fernseher bis zur Stromversorgung sollten interaktiv sowie für eine Bedienung über das Internet und mobile Apps geeignet sein. Doch Architekten waren von seiner Forderung vor allem eines: verwirrt. Fadell aber ließ nicht locker.

Als er jedoch einen programmierbaren Thermostat für sein teures, umweltfreundliches Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen-System aussuchen sollte, war seine Geduld am Ende. „Sie sollten 500 Dollar pro Stück kosten, dabei waren sie schrecklich und völlig hirntot.“ Er beschloss kurzerhand: „Dann baue ich eben meinen eigenen.“

Er wollte, dass sein Thermostat intelligent genug ist, die Gewohnheiten des Benutzers zu erfassen und die Steuerung darauf abzustimmen. Es sollte das Klimasystem des Hauses automatisch ausschalten, wenn niemand anwesend ist. Es müsste sich also in Wirklichkeit um einen kleinen, mit dem Internet verbundenen Computer handeln. Während er diese Funktionen und das Design entwarf, dachte er darüber nach, dass seine Vision auch anderen Leuten gefallen dürfte – selbst wenn ihre Häuser weniger ausgefallen sind.

Allein in den USA werden pro Jahr rund zehn Millionen Thermostate verkauft, sodass ein potenziell lukratives Geschäft winkte. Und weil Thermostate typischerweise etwa die Hälfte des Energieverbrauchs in amerikanischen Häusern steuern, sollte ein besseres Modell die Kosten dafür deutlich verringern können. Der damals 40-Jährige traf sich mit Matt Rogers, dem 27 Jahre alten Leiter der Software-Entwicklung für das iPhone, und überredete ihn, mit ihm zusammen Nest zu gründen.

Fadell hat den Schwung und das stets bereite Lächeln eines Talkshow-Moderators und dazu eine immer laute Stimme. Rogers ist der Ruhigere der beiden und eher technisch orientiert. Das Duo scheint enorm viel Spaß dabei zu haben, sich mit den Details von etwas zu beschäftigen, das im Wesentlichen nur ein An/Aus-Schalter ist: Wie zwei kleine Jungs, die gerade vom Spielplatz kommen, platzen sie in einen Konferenzraum in den unauffälligen Nest-Büros in Palo Alto – atemlos, bestens gelaunt und die Sätze des anderen zu Ende bringend.

Grund genug für gute Laune haben sie jedenfalls. Denn Fadells Instinkt erwies sich als richtig. Das erste Modell von Nest kam im Oktober 2011 auf den Markt und wurde weithin bejubelt: Eine schicke Scheibe von der Größe einer Küchenuhr, ein rundes Display, eingefasst in einen Ring aus rostfreiem Stahl. Ein Jahr später brachte Nest ein noch moderneres Nachfolgemodell heraus, dessen Verkauf nach Angaben des Unternehmens sehr gut läuft. Mit dem 250 Dollar teuren Produkt haben die Eigentümer bislang etwa 1,5 Milliarden Kilowattstunden Energie gespart, schätzt Nest. Damit könnte das Unternehmen allein mit elegantem Design und geschickter Computer-Integration mehr für die Umwelt getan haben als viele andere Silicon-Valley-Start-ups, die sich ganz dem Versprechen von „Cleantech“ verschrieben haben.

(vsz)