Internetsucht: Die Medizinische Hochschule Hannover erweitert Hilfsangebot

Früher war Computerspielabhängigkeit noch die häufigste Mediensucht. Inzwischen suchen immer mehr Teilnehmer von Chatforen und sozialen Netzwerken professionelle Hilfe. Die ständige Erreichbarkeit per Smartphone verschärft die Situation.

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Von
  • Friederike Maier
  • Dusan Zivadinovic

Die mobile Internetnutzung wird die Internet- und Medienabhängigkeit noch einmal verstärken. Das vermutet Prof. Dr. Hillemacher, Leiter des Bereichs Suchtmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Während in früheren Jahren Computerspielabhängigkeit die häufigste Mediensucht war, kommen laut Hillemacher heute immer häufiger Menschen in die Abhängigenambulanz, die abhängig von der Kommunikation in Chatforen und sozialen Netzwerken sind. Die ständige Erreichbarkeit mittels Smartphone verschärft die Situation.

Konkrete Zahlen gibt es zwar nicht, aber verschiedenen Studien zufolge ist die Anzahl Betroffener erheblich. Während eine EU-Studie aufführt, dass fast jeder zehnte Jugendliche in Deutschland das Internet zu intensiv nutzt und ein Prozent bereits internetsüchtig sei, kommen die Universitäten Lübeck und Greifswald im Jahr 2011 in einer gemeinsamen Untersuchung zum Schluss, dass in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen der Anteil bereits 2,4 Prozent beträgt. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik sind das 560.000 Personen. Fachleute gehen davon aus, dass der Anteil heute größer ist. Anzeichen für eine Abhängigkeit sind extensives Computerspielen oder exzessive Nutzung des Internets, gepaart mit negativen Folgen für Betroffene, so Hillemacher.

Ein Patient der Abhängigenambulanz beschreibt Computerspielsucht mit einem vollständigen Kontrollverlust. Alle anderen Dinge treten in den Hintergrund. Morgens in der Schule, völlig übernächtigt vom Computerspielen, habe er sich zwar vorgenommen, am Abend früh ins Bett zu gehen, aber dann saß er wieder bis spät in die Nacht vor dem Computer. Das Spielen konnte ihn in einen euphorischen Zustand bringen und bestimmte sein Leben. Der erste Schritt, sich professionelle Hilfe zu holen, war ein großer Sprung sagt er. Die Gesprächstherapie in der Abhängigenambulanz habe ihm Perspektiven aufgezeigt und heute macht ihn das Verfolgen dieser Perspektiven glücklicher als das Computerspielen.

Die Abhängigenambulanz an der MHH hat ihr Behandlungsangebot für Medien-, Computer- und Internetsüchtige erweitert. Dort steht nun Betroffenen ab 18 Jahren ein sechsköpfiges Team aus Ärzten, Psychologen, Pflegekräften und Sozialarbeitern zur Verfügung. Besonderer Wert wird auf ein niederschwelliges Angebot gelegt. So genügt eine Überweisung vom Hausarzt, um an einer Suchtsprechstunde teilzunehmen. Dort werden Patienten und gegegenenfalls Angehörige ausführlich und individuell beraten, am Ende des Gesprächs steht ein konkretes Hilfsangebot. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Weitere Hilfsangebote sowie die Studie zu Internetabhängigkeit und Informationen zu Beratungsangeboten bundesweit gibt es zum Beispiel auf den Seiten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. (dz)