Analyse: Wahlcomputer wirken sich offenbar ungünstig auf Wahlbeteiligung aus

Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg sind in Gemeinden, in denen Wahlcomputer eingesetzt wurden, meist weniger Bürger zur Wahl gegangen als in den übrigen Städten und Gemeinden. Ein Phänomen, das sich schon bei der Landtagswahl in Hessen zeigte.

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Von
  • Richard Sietmann

Bei den Kommunalwahlen am 28. September in Brandenburg sind in Gemeinden, in denen Wahlcomputer eingesetzt wurden, meist weniger Bürger zur Wahl gegangen als in den übrigen Städten und Gemeinden. "Wie schon bei den Landtagswahlen in Hessen hat sich der Einsatz von Wahlcomputern ungünstig auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt", meint der Frankfurter Physiker und Software-Spezialist Ulrich Wiesner in einer Analyse der Ergebnisse. Er ist einer der Beschwerdeführer in den Wahlprüfungsverfahren gegen den Einsatz der Nedap-Geräte zur elektronischen Stimmerfassung und -zählung bei der Bundestagswahl 2005, das Ende des Monats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur mündlichen Verhandlung ansteht.

Wiesners Analyse zufolge war die Wahlbeteiligung in acht von zehn Städten und Gemeinden, wo die Nedap-Geräte eingesetzt wurden, zwischen vier und elf Prozent niedriger als die durchschnittliche Wahlbeteiligung in dem jeweiligen Landkreis. Lediglich im Mühlbecker Land lag sie mit 51,6 Prozent etwa vier Prozentpunkte höher als der Durchschnitt des Landkreises Oberhavel (47,8 Prozent), und in Trebbin wies sie mit 49 Prozent praktisch keinen Unterschied zu der Beteiligung im Landkreis Teltow-Fläming auf, in dem die Kommune liegt.

Gegenüber dem allgemeinen Anstieg der Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2003 sind die Kommunen, in denen elektronisch gewählt wurde, zurückgeblieben. "In sieben von neun Gemeinden und kreisangehörigen Städten, die Wahlcomputer einsetzten, entwickelte sich die Wahlbeteiligung zum Teil deutlich schlechter als im Durchschnitt des jeweiligen Landkreises", berichtet Wiesner. Lediglich in den Städten Hennigsdorf und Bernau bei Berlin habe der Zuwachs leicht über dem Anstieg in ihrem Landkreis gelegen. "In der Stadt Cottbus, die ebenfalls Wahlcomputer einsetzt, erholte sich die Wahlbeteiligung mit 42,7 Prozent zwar deutlich von dem katastrophalen Wert der Kommunalwahl 2003 (28,4 Prozent), sie blieb aber weiterhin deutlich unter dem Mittel der vier kreisfreien Städte (46,7 Prozent) und des Landes (50,3 Prozent)."

Wie Brandenburgs Ministerium des Innern gegenüber heise online auf Anfrage mitteilte, könne man die Feststellung, dass die Verwendung von Wahlgeräten zu einer niedrigeren Wahlbeteiligung führt, "auf Grund der vorliegenden Zahlen" nicht bestätigen. Seitens des Ministeriums verweist man darauf, dass derzeit noch nicht das auf alle Kommunen und Landkreise aufgeschlüsselte offizielle Wahlergebnis vorliegt. Es müsse aber bedacht werden, dass Wahlgeräte vor allem in den Regionen nahe Berlin sowie den städtisch geprägten Gebieten Verwendung finden und es ist nicht auszuschließen sei, dass gerade in diesen Regionen die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen niedriger als in den ländlichen Regionen ist.

In den ländlichen Regionen würden sich bezogen auf die Einwohnerzahl relativ mehr Kandidaten zur Wahl stellen, die zumeist auch über engere persönliche Kontakte zu den Wählern verfügen, so dass ein Grund für die niedrigere Wahlbeteiligung in den aufgeführten Städten möglicherweise nicht die Verwendung von Wahlgeräten, sondern deren ausgeprägterer städtischer Charakter sei. Für einen solchen Zusammenhang spräche die Ausnahme der eher ländlich geprägten Gemeinden Trebbin und Mühlbecker Land, in denen die Wahlbeteiligung höher war als in den entsprechenden Landkreisen Teltow-Fläming und Oberhavel. "Eine fundierte Einschätzung" könnte nach Auskunft des Ministeriums allerdings "nur auf Grundlage einer detaillierten Faktoren-Analyse" getroffen werden, die derzeit nicht zur Verfügung stehe. (Richard Sietmann) / (pmz)