Verräterisches Gezwitscher: Twitter als Seismograf der Welt

Mit 230 Millionen aktiven Nutzern, die pro Sekunde 5000 Tweets absetzen, hat Twitter einen immensen Datenschatz angehäuft. Mit dem verdient der Konzern immer mehr Geld, denn Firmen, Banken, Politiker haben das Gezwitscher für sich entdeckt.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

Das weltweite Gezwitscher ist bare Münze wert. Seit dem 21. März 2006, als Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey den allerersten Tweet absetzte, sprudelt der Daten-Strom aus der Twitter-Firehose (Feuerwehrschlauch). Fast 5000 Tweets pro Sekunde sind es mittlerweile, die sich zu einem Datenberg von 300 Milliarden bislang gesendeten Tweets hinzuaddieren. Denn kein Tweet ist verlorengegangen, sie sind alle gespeichert.

Diesen immensen Datenstrom will das noch immer defizitäre Unternehmen zu Geld machen, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (hier online zu bestellen). Datenlizenzierung macht bereits 13 Prozent von Twitters Einnahmen aus, ein Drittel mehr als 2012 und mehr als doppelt so viel wie 2011. Zugriff auf seine Firehose gewährt Twitter nur noch über exklusive Partnerschaften mit Data-Resellern wie Gnip, Dataminr, Datasift und Crimson Hexagon.

Deren Kunden sind zum Beispiel Firmen, für die die Tweets ihrer Kunden ein wertvolles Marketingmessinstrument ist. Oder Banken, Fondsmanager und Aktientrader, die in den Tweets Stimmungsänderungen lesen und daraus Aktienkursentwicklungen vorhersagen. So brüstet sich der Twitterdatenanalyst und -Reseller Dataminr, seinen Kunden im November 2013 einen dreiminütigen Vorsprung verschafft zu haben, um ihre abstürzenden BlackBerry-Aktien abzustoßen und 2011 einen zwanzigminütigen, bevor die erste Nachrichtenagentur den Tod Osama Bin Ladens verkündete.

Tweets können aber auch Leben retten:. „Nach dem letzten großen Erdbeben auf den Philippinen im Oktober wurde Twitter quasi als Sensor genutzt“, sagt Alex Rutherford, Data Scientist beim UN-Projekt Global Pulse. „Anhand der Geodaten und Berichte konnte schnell Hilfe dorthin geschickt werden, wo sie dringend benötigt wurde. “ Bei Katastrophen ist das Echtzeit-Medium Twitter eine wertvolle Hilfe. Die Tweets könnten künftig sogar Katastrophen ankündigen.

2010 startete Global Pulse gemeinsam mit Crimson Hexagon ein Forschungsprogramm in Indonesien. Global Pulse analysierte alle indonesischen Tweets, die den Reispreis thematisierten – und tatsächlich: Ihre Frequenz stieg parallel zum Preis. „Es ging uns darum zu zeigen, dass Twitter-Daten geeignet sind, wichtige Krisen-Indikatoren zu erkennen – in Echtzeit“, sagt Rutherford. Dann analysierten sie die Tweets auch inhaltlich im Hinblick auf Essenspreise und Versorgungslage. Auch hier ein klares Ergebnis: „Negative Stimmungsbekundungen nahmen zu, wenn der Reispreis anstieg. “ Mit einer Verbesserung der Software, werde man künftig auch den Reispreis vorhersagen können, glaubt Rutherford.

Mehr dazu in Technology Review 02/2014:

(jlu)