Puzzeln für die Wissenschaft

Ein kostenloses Spiel soll Forschern bei der Gestaltung optimaler Proteine helfen.

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David Baker, Biochemiker an der University of Washington, will Computerspieler dazu rekrutieren, von ihm vorgegebene Proteine so zu optimieren, dass sie in der Medizin eingesetzt werden können, um als Impfstoff zu dienen oder Enzyme zu bilden, die DNA in erkranktem Gewebe reparieren können. Seit Jahren bauen Forscher natürlich vorkommende Proteine um, in dem sie sie in Viren und einzelligen Organismen wachsen lassen – der Prozess nennt sich gerichtete Evolution. Dabei müssen die Wissenschaftler jedoch stets mit einem bestehenden Protein beginnen, was es schwierig macht, völlig neue Funktionen aufzubauen. Baker konnte jüngst einen wichtigen Fortschritt machen: Er demonstrierte einen Algorithmus, der neue, funktionierende Enzyme von Grund auf herstellen kann. Zwar haben so geschaffene Proteine chemische Eigenschaften, die es in der Natur noch nicht gibt. Besonders effizient sind sie dabei allerdings nicht.

Das kostenlose Spiel namens Foldit ist nun Teil von Bakers Vision einer Zukunft, in der leistungsfähige Proteine nach Belieben gezüchtet werden können. Seine Algorithmen beherrschen es bereits jetzt recht gut, neue Proteinsequenzen zu schaffen, die einen bestimmten Zweck erfüllen. Die Nutzer, die sich allgemein einen besseren Überblick über komplexe 3D-Modelle verschaffen können als der Computer, sollen sie nun mit Hilfe des Spiels weiter verbessern.

Seit 2005 nutzt Bakers Labor bereits die Rechenpower der PCs von Internet-Nutzern, die ein kostenloses Programm installiert haben, das Proteindesigns untersucht. Rund 200.000 Menschen in aller Welt lassen Rosetta@home bereits laufen – es nutzt Computerleistung, die sonst brachliegen würde. Während die Software läuft, zeigt sie die aktuell bearbeiteten Proteinstrukturen als Bildschirmschoner an. Allein, eingreifen konnten sie bislang noch nicht. Dabei hört Baker nicht selten, dass es die User frustriert, dass sie der Software nicht bei der Arbeit helfen können, etwa um hier die Struktur dichter zu bepacken und dort ein loses Ende "einzustecken". Wenn der Rechner nicht mehr weiter weiß, verändert er derzeit die Struktur einfach zufällig.

Baker erzählt, wie ihm deshalb die Idee in den Sinn kam, die ihm angebotene Mithilfe der User in Form eines Spiels nutzbar zu machen. Baker setzte sich dazu mit Zoran Popovic zusammen, einem Spieledesigner an der University of Washington. Die Aufgabe war für ihn und sein Team ungewöhnlich: "Bei Standardspielen ist das Ziel bekannt und das Gameplay ist so gestaltet, dass der Spieler sanft dorthin geführt wird", sagt Popovic. Mario müsse eben die Prinzessin retten und auf dem Weg dorthin möglichst viele Münzen sammeln. Im Falle des Proteinspiels sei das Endziel offen. "Die ultimative Proteinkonfiguration und den Weg zu ihr kennen wir nicht."

Die ersten paar Level von Foldit sind darauf ausgerichtet, dem Spieler beizubringen, wie gute Proteine aussehen müssen und wie man sie mit den Werkzeugen des Spiels manipulieren kann. Spieler könnten die Moleküle in drei Dimensionen drehen, ihre einzelnen Fäden zusammenziehen, die Struktur des Proteins dehnen und dabei versuchen, Wasserstoff-Bindungen zu generieren, die das Protein stabilisieren helfen. Das Spiel stellt die Proteinchemie grafisch realistisch dar.

Nach der Verbesserung des Designs einiger Testproteine starten die Spieler in einen Wettbewerb und können entweder allein oder im Team an dem Problem arbeiten. Baker und Popovic lassen die Spieler dabei an Strukturen werkeln, deren optimale Gestaltung bereits bekannt ist, um das Spiel weiter zu verfeinern und Spielergruppen zu trainieren. Mit der Zeit sollen die Nutzer dann beispielsweise bei neuen HIV-Impfstoffen und anderen Projekten mithelfen, die in Bakers Labor entstehen.

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(bsc)