Der Traum vom European Valley: Was bringt die Startup-Politik der EU?

Neelie Kroes. EU-Kommissarin fürs Digitale, möchte in Europa die Gründerszene pushen. Ihre Absichtserklärungen zum Thema stoßen auch kaum auf Kritik. Konkrete Vorschläge aus Brüssel allerdings schon.

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Von
  • Stefan Mey

Eines muss man Neelie Kroes lassen. Die EU-Kommissarin fürs Digitale versteht sich auf emotionale Ansprachen. "Hallo Startups" richtete sie sich im April 2013 an die europäische Gründerszene. "In Zeiten ökonomischer Trostlosigkeit habe ich keinen Zweifel, wo unsere Hoffnung liegt: in Startups, Innovatoren und Unternehmern."

Die Kommissarin startet immer neue Charme-Offensiven in Richtung Gründer: Millionenschwere Förder-Programme sind dabei, Absichtserklärungen und verschiedenste Netzwerk-Formate. Im Sommer 2013 war es das umfangreiche Programm Start-Up Europe: der Gründer-Preis Europioneers beispielsweise, der "Leaders Club", bei dem Startup-Veteranen wie der Xing-Gründer Lars Hinrich die Kommission beraten, und ein 100-Millionen-Euro-Programm für 1.000 europäische Startups.

Ende Januar meldete sie sich mit zwei neuen Maßnahmen zurück. Das Ziel: "Europäische Digital-Startups zu weltweit agierenden Internet-Unternehmen machen". Über die Startup-Europe-Partnerschaft sollen große Firmen und Organisationen das Gründer-Ökosystem Europas voranzubringen. Die Berliner Humboldt-Universität ist dabei, die Telefónica und Orange oder die Europäische Investitionsbank. Und ein neu zu schaffendes Europäisches Digitalforum soll "Europas führende Denkfabrik und ein Politiknetz für digitales Unternehmertum werden". Eine Aufgabe: einen jährlichen Index für die Digitalwirtschaft erstellen. So soll Europa endlich zu einem einzigen großen Silicon Valley werden.

Bundesverband Deutsche Startups: grundsätzlich Zustimmung, aber auch Skepsis

"Ihre kommunikative Leistung ist schon viel wert": Neelie Kroes auf der Digital Agenda Assembly 2013

(Bild: EC)

Bringen die Maßnahmen deutschen Startups eigentlich überhaupt etwas? Florian Nöll, Vorsitzender des noch jungen Bundesverband Deutsche Startups, müsste eine Menge dazu sagen können. Während er über die Gründerpolitik der Bundesregierung detailliert Auskunft erteilen kann, fällt ihm zur europäischen Startup-Politik wenig Konkretes ein, was wohl vor allem etwas über die tatsächliche Relevanz des Themas aussagt. Geld zu vergeben schade natürlich nie, meint er. Und dass die Politik von Neelie Kroes oft aus Absichtserklärungen bestehe, sei zumindest nicht nichts: "An sich ist ihre kommunikative Leistung schon viel wert. In der Gesellschaft und in der Politik können viele noch nicht allzu viel mit dem Thema Startups anfangen. Da ist es gut, wenn eine Politikerin in einer so herausgehobenen Stellung dieses Thema ständig spielt."

Am Europäischen Digitalforum gefällt ihm prinzipiell, dass Unternehmer in die politische Strategiefindung eingebunden werden. Auch mit dem Grundgedanken der Startup-Europe-Partnerschaft kann er sich anfreunden, dass nämlich junge Digitalfirmen mit Unternehmen der Old Economy zusammengebracht werden. Allerdings ist er skeptisch, ob eine europaweite Aktion tatsächlich viel bringt. "Was deutsche Startups brauchen, ist ein Zugang zum deutschen Mittelstand. Den finden sie auf dieser Ebene nicht, sondern vielleicht vor Ort in Tübingen."

Nicht nur Gutes aus Brüssel

Für diskussionswürdig hält er die Zusammensetzung des Gremiums, vor allem mit Blick auf das Reizthema Netzneutralität. Da verfolgen etablierte Unternehmen und Startupgründer unterschiedliche Ansätze, und auch die Position von Kroes ist nicht immer eindeutig. "Die Haltung des Bundesverbands Deutsche Startups ist ganz klar pro Netzneutralität. Dass mit Telefónica und Orange zwei große Telekommunikations-Konzerne Gründerinteressen vertreten sollen, leuchtet mir jedoch nicht ein." Nicht alles, was aus Brüssel kommt, ist gut für Startups. Sorgen bereitet ihm auch die geplante europäische Datenschutzgrundverordnung. Während Netzaktivisten mehr Datenschutz fordern, sieht Nöll darin eine Gefahr für Startups. "Wir brauchen eine Regelung, die es zulässt, dass sich digitale Geschäftsmodelle in Europa gründen und entwickeln können." Es sei weder für Deutschland noch für Europa erstrebenswert, Regulierungsstreber zu sein.

European vs. Silicon Valley

Auf die Frage, ob es so etwas wie ein europäisches Startup-Ökosystem schon gibt, antwortet Nöll zurückhaltend. Eigentlich nicht, es stecke noch absolut in den Kinderschuhen. Auch das Startup-Manifesto [PDF], erarbeitet vom Leaders Club und präsentiert von Neelie Kroes, zeichnet kein rosiges Bild. So würden allein 50.000 Deutsche im Silicon Valley leben, und in der San Francisco Bay Area gebe es 500 Startups mit französischem Background. "Startup-Gründer sind mobil." meint Nöll. "Sie können sich überlegen: Gründe ich in Berlin, Stockholm, Tel Aviv oder sogar im Silicon Valley? Und es hält sie auch so richtig niemand auf." Allerdings stehen andere Weltregionen vor der gleichen Herausforderung. Die richtige Politik könne europäische Jungunternehmer nicht nur hier halten, sondern Europa zudem für weltweite Gründer attraktiver werden lassen. Das ist auch der innige Wunsch der selbst ernannten Startup-Kommissarin Neelie Kroes. Die Pressemitteilung zu ihren letzten Initiativen lautete kämpferisch: "Europa fordert Silicon Valley heraus". (js)