Brasilien und Indien legen Einspruch gegen ISO-Normierung von OOXML ein

Nach Südafrika haben auch die beiden großen Schwellenländer offiziell gegen das umstrittene Schnellverfahren zur Zertifizierung von Microsofts Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) bei der ISO protestiert.

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Nach Südafrika haben auch Brasilien und Indien offiziell Einspruch gegen das umstrittene Schnellverfahren zur Zertifizierung von Microsofts Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) in Genf erhoben. Dies bestätigte ein Sprecher der ISO-Schwestereinrichtung IEC (Internationale elektrotechnische Kommission) gegenüber einem US-Mediendienst. Bis zur Deadline am Donnerstagabend sind bei den beiden Normierungseinrichtungen demnach insgesamt drei offizielle Proteste nationaler Standardisierungsinstitute eingegangen. Es sei das erste Mal, dass in dem für Dokumentenformate zuständigen Gremium JTC 1 der ISO/IEC überhaupt ein Widerspruch laut geworden sei.

Den Brief der Associação Brasileira de Normas Técnicas (ABNT) haben die Blogger von Groklaw und der Standardisierungsexperte Andy Updegrove veröffentlicht. Die Beweggründe der Brasilianer ähneln demnach denen der Südafrikaner. So beklagen die Südamerikaner, dass bei der Einspruchberatung Ende Februar nach dem vorläufigen Scheitern der OOXML-Normierung in der ersten Abstimmungsrunde 2007 kein Konsens über nötige Änderungen an der umfangreichen Spezifikation erzielt worden sei. Konkrete technische Einwände seien mit der Begründung, keine Zeit mehr zu haben, nicht im Einzelnen diskutiert worden. Vielmehr sei es zu einer pauschalen Abstimmung en bloc über nicht behandelte Eingaben aus den Mitgliedsstaaten gekommen. Zuvor seien aber halbstündige Reden geschwungen worden. Die Brasilianer monieren ferner, dass die ISO bis heute keine endgültige Version der in zweiter Runde als Norm mit der Nummer 29500 angenommenen Spezifikation veröffentlicht habe.

Die Geschäftsführer der ISO und der IEC haben nun einen Monat Zeit, die Einsprüche zu begutachten und einen Kompromiss mit den nationalen Normierungsbehören auszuhandeln. Im Falle eines Scheitern wird der Streit vor Schlichtungsinstanzen beim Aufsichtsrat der IEC beziehungsweise beim Technical Management Board (TMB) der ISO landen. Ob OOXML angesichts der Auseinandersetzungen und der zunehmenden Unterstützung des zuvor von der ISO zertifizierten Open Document Format (ODF) auch bei Microsoft jeweils größere Relevanz bekommen wird, ist fraglich.

Das Deutsche Institut für Normung (DIN), das sich trotz vermeldeter Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung für OOXML ausgesprochen hat, muss sich derweil seine Meinung zu den Einsprüchen noch bilden. Der Lenkungsausschuss des Normenausschusses Informationstechnik und Anwendungen (NIA) habe mehrheitlich anerkannt, dass es keine gravierenden Verstöße gegen die geltenden Regeln des JTC 1 und der ISO gegeben habe, erklärte ein Sprecher gegenüber heise online. Dies sei auch die Haltung des DIN insgesamt. Gleichzeitig sei man aber zu der Ansicht gekommen, dass die Regeln für das Schnellverfahren überarbeitet werden müssen. Anders seien Dokumente des Umfangs von ISO/IEC 29500 in diesem Rahmen kaum zu bewältigen. Das DIN habe dazu in Genf entsprechende Diskussionen angestoßen. (Stefan Krempl) / (vbr)