Kommentar: Nokia will Android nicht

Trotz des Kaufes durch Microsoft will Nokia das Smartphone Nokia X mit Google Android vorstellen. Das Projekt erinnert an das MeeGo-Smartphone N9 - ein Gerät, das Nokia nur verkaufte, weil es schon da war.

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  • Hannes A. Czerulla
Ein Kommentar von Hannes A. Czerulla

Hannes Czerulla schreibt seit 2011 für heise.de und die c't über Smartphones, Apps und alles, was man damit machen kann. Rooting, CustomROMs und mobile Betriebssysteme gehören ebenfalls zu den Themen des Technikjournalisten.

Auf der Mobilfunkmesse MWC in Barcelona wird Nokia ein Smartphone mit Google Android vorstellen; angeblich soll es Nokia X heißen. Versuchen sich die Finnen also ein zweites Standbein aufzubauen, um gewappnet zu sein falls Windows Phone niemals der endgültige Durchbruch gelingt? Wohl kaum, denn der zukünftige Besitzer von Nokias Mobilsparte – Microsoft – würde eine solche Kehrtwende zum Konkurrenzprodukt nicht zulassen.

Die Gründe für Nokias Android-Smartphone sind rein pragmatisch: Das Handy in der Schublade liegen zu lassen, wäre für Microsoft teurer, als es mit dem Betriebssystem des Konkurrenten zu verkaufen.

Das neue Modell ist bereits bezahlt. Ein Smartphone zu entwickeln, dauert Monate – die Finnen begannen mit dem Android-Telefon bereits, bevor Microsoft die Firma übernehmen wollte. Würde Microsoft die Pläne in den Schubladen verstauben lassen, müssten die Arbeitsstunden der Entwickler als reiner Verlust verrechnet werden. Wird hingegen das Android-Handy gebaut und verkauft und verschwindet dann wieder von der Bildfläche, können wenigsten noch ein paar Euro mit dem Konzept gemacht werden.

Nicht zum ersten Mal wirft Nokia ein Smartphone ohne Erfolgsaussichten auf den Markt, nur weil das Konzept bereits fertig ist und die Arbeitsstunden der Entwickler bereits bezahlt sind: Das groß angekündigte N9 mit MeeGo war ein ungeliebtes Kind. Nokia verkaufte es, obwohl Windows Phone vor der Tür stand – weil die Pläne fürs N9 fertig waren. Es bekam nur ein einziges OS-Update; heute scheint der Konzern das Modell am liebsten totschweigen zu wollen. Beim Nokia PureView 808 das selbe Trauerspiel: Allein schon wegen des Betriebssystems Symbian war das 808 zum Zeitpunkt der Präsentation veraltet und wurde als letztes Modell mit dem Betriebssystem nur noch deswegen verkauft, weil es halt schon da war.

Die Geschichte von Nokias Android-Modell wird genauso verlaufen: Großer Jubel, mäßiger Verkaufserfolg, wenig Software-Updates, ein stilles Ende.

Aktualisierungen für Android zu entwickeln und zeitnah auszuliefern, fällt selbst Android-Veteranen wie Samsung schwer. Nokia wird es ohne Erfahrung noch größere Probleme bereiten. Zudem hat Nokia/Microsoft überhaupt kein Interesse daran, ein gutes Licht auf das geplante Smartphone und Googles Betriebssystem fallen zu lassen. Windows Phone soll vermarktet werden und nicht Googles Produkt.

Nachdem der Trubel um das Android-Smartphone abgeklungen ist, wird Microsoft das Gerät ins Nokia-Archiv legen, gleich neben die verstaubten Kisten mit der Aufschrift "N9". (hcz)