Jugendschützer: Wirtschaft muss ihren Beitrag leisten

Nachdem Jugendschützer und Politiker hierzulande netzseitige Filter nach britischem Vorbild für sich entdeckt haben, ist eine Debatte um die Verantwortung der Wirtschaft für den Schutz Minderjähriger im Gange.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Unternehmen sollen nach Ansicht der Jugendschützer mehr dafür tun, dass Minderjährige nicht mit entwicklungsgefährdenden Inhalten konfrontiert werden. Forderungen wie die des niedersächsischen Landesmedienchefs Andreas Fischer oder des CSU-Politikers Norbert Geis, Filter direkt bei den Internetzugangsanbietern zu installieren, werden von den Providern abgelehnt. Gleichwohl will auch die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM), dass Kunden bereits beim Vertragsabschluss besser über Jugendschutzmaßnahmen informiert werden sollten.

Kernproblem des technischen Jugendschutzes ist die sehr geringe Verbreitung von Jugendschutzprogrammen in Haushalten mit Kindern und Jugendlichen. Dies stellte eine Umfrage des Hans-Bredow-Instituts fest. Nur 23 Prozent der Eltern setzen demnach eine Jugendschutzsoftware ein – und nur ein Bruchteil eine von der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten zertifizierte und damit staatlich anerkannte Lösung.

Fischer glaubt, es seien nur dann wesentlich mehr Haushalte zu erreichen, wenn die Eltern wie in Großbritannien direkt vom Provider mit einem Jugendschutzfilter konfrontiert werden. Auf der Insel werden jugendgefährdende Inhalte wie Pornos direkt beim Provider unterdrückt, sofern die Kunden den Filter nicht abschalten lassen.

Ebenfalls bei den Unternehmen ansetzen will Carola Witt, die Leiterin des Arbeitskreises der Jugendschutzbeauftragten von ARD und ZDF. Ihr schwebt eine Art „Kinderschutz by Design“ vor: „Die Voreinstellungen müssen in den Geräten so sein, dass die Eltern sich bewusst damit beschäftigen müssen.“ Sie denkt dabei vor allem an Software- und Hardwarehersteller. Microsoft und Apple etwa bieten bereits einen Kinderschutz, doch Eltern werden bei der Inbetriebnahme der Geräte nicht direkt damit konfrontiert.

Zumindest die Mobilfunkbetreiber hatten sich vor fast zehn Jahren bereits freiwillig zu einem Verhaltenskodex Mobilfunk bekannt. Darin verpflichten sie sich, „dafür Sorge zu tragen, dass die Inhalteanbieter keine unzulässigen Inhalte anbieten“. Auch bieten die Mobilfunkanbieter Eltern die Möglichkeit, den Mobilfunkanschluss „für entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte der jeweiligen Altersstufe zu sperren.“

Martin Drechsler, stellvertretender Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) räumt jedoch ein, dass der Kodex nicht mehr auf dem Stand der Technik ist, da er vor dem Aufkommen der Smartphones formuliert wurde. „Die Selbstverpflichtungen sollten einer aktuellen Realität angepasst sein“, sagte er gegenüber heise online. Zuletzt wurde der Kodex 2012 evaluiert und dabei wurde festgestellt, dass sich alle Anbieter noch an die Selbstverpflichtung halten.

Ähnlich veraltet ist auch der Verhaltenskodex für Betreiber von Sozialen Netzwerken. Er wird derzeit nur noch von den Lokalisten und von Wer-kennt-wen befolgt. Neuverhandlungen, die auch Anbieter wie Facebook und Google mit etwas weicheren Regelungen einbeziehen sollten, waren im vergangenen Frühjahr gescheitert. Seitdem wurde kein neuer Anlauf unternommen. Die Zahl der Beschwerden nimmt derweil zu.

Der Internetprovider-Verband eco lehnt Fischers Vorstoß rundheraus ab. Sperren und Filter seien "nur die Einflugschneise für eine Zensur-Kultur, die die Grundprinzipien der Offenheit, Transparenz und Neutralität des Netzes untergräbt", sagt eco-Vorstand Oliver Süme ,der solche Vorhaben für „nur bedingt effektiv" hält und vor "massiven unerwünschten Nebenwirkungen“ warnt. Ein 1&1-Sprecher weist darauf hin, dass das Thema hierzulande im Zusammenhang mit dem wieder zurückgenommenen Zugangserschwerungsgesetz "eingehend diskutiert" wurde: "Hier bestand ein fraktionsübergreifender politischer Konsens, dass dies der falsche Weg ist.“

Die Deutsche Kinderhilfe hat bereits in einem Fall erreicht, dass ein Zugangsprovider einen Kinderschutzfilter aktiviert. So installierte Starbucks gemeinsam mit dem WLAN-Provider British Telecom bereits im vergangenen Jahr eine Filtersoftware, und kinder- und jugendgefährdende Inhalte zu sperren.

Die Deutsche Kinderhilfe begrüßt den Vorstoß von Andreas Fischer, über die Verantwortung der Provider zu diskutieren. Dies könne aber nur ein Baustein sein, um Kinder zu schützen, meint Kevin Vennewald und verweist auf die zunehmenden Interaktionsrisiken wie Cybergrooming in Onlinespielen und Kinderchatplattformen, Webcam-Sex, Sexting und Cybermobbing. "Hier laufen die bisherigen Schutzmechanismen ins Leere und es ist dringender gesetzgeberischer und gesellschaftlicher Handlungsbedarf erkennbar.“ (vbr)