Schlagabtausch im Bundestag über Vorratsdatenspeicherung und Kinderpornographie

Sprecher der CDU/CSU-Fraktion warben im Bundestag für eine "private Vorsorgespeicherung" von Telekommunikationsdaten und erinnerten die empörte Opposition daran, dass es kein Grundrecht gebe, Bilder sexuellen Missbrauchs zu betrachten.

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Es gehe um die Aufklärung der "schwersten Verbrechen, die wir finden können", sagte der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg im Bundestag, und setzte sich dafür ein, die Vorratsdatenspeicherung möglichst bald wiedereinzuführen. Seit Jahren sei in dieser Hinsicht "nichts passiert zum Schutz von Kindern". Bei der verdachtsunabhängigen Informationssammlung gehe es zwar um Verhältnismäßigkeit, auf der anderen Seite stünden aber "massive Grundrechtsverstöße".

Anlass der Aussprache waren Anträge der Linken und Grünen, auf die Vorratsdatenspeicherung endgültig zu verzichten. Sensburg klärte beide Fraktionen dabei auf, dass hierzulande kein "Recht auf freies Surfen ohne Regel" und "kein Grundrecht fürs Ansehen von Kinderpornographie" existierten. Die Angesprochenen wiesen Unterstellungen, dass sie Bilder sexuellen Kindesmissbrauchs beziehen lassen wollten, entschieden auch im Namen aller Kritiker der Vorratsdatenspeicherung zurück.

Sensburg bot der Opposition an, gemeinsam zu überlegen, ob sich nicht "in einem engem Korridor" neue Ermittlungsmöglichkeiten im Internet eröffnen und verfassungskonform gestalten ließen. Er brachte dabei auch ein "Short Freeze" ins Gespräch und variierte damit frühere Vorschläge dafür Verbindungsdaten im Verdachtsfall von Providern einfrieren zu lassen. Wichtig sei es vor allem, Strafverfolgern hierzulande auch rückwirkende Ermittlungsansätze in die Hände zu geben und den jetzigen "Schwebezustand" zu beheben.

Im Namen der CSU unterstrich Volker Ullrich, dass nicht die Bevölkerung überwacht werden solle. Es gehe darum, Daten der Telekommunikationsunternehmen "in begrenztem Umfang nach richterlichem Beschluss zur Aufklärung von Straftaten schwerer Verbrechen" nutzen zu können. In seiner Heimat Augsburg habe ein Komplott für einen "grausamen Mord" erst durch eine Funkzellenauswertung aufgeklärt werden können. In vielen vergleichbaren Fällen tappe die Polizei aber ohne Vorratsdaten im Dunkeln. Marian Wendt (CDU) ergänzte, "wir werden alsbald einen Gesetzesentwurf vorlegen". Dies sei wichtig, um auch die Opfer von Straftaten und die Verfassung zu schützen.

Beim Koalitionspartner SPD haben Volksvertreter dagegen nach wie vor Bauchschmerzen angesichts des "besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffs", den der Sozialdemokrat Christian Flisek unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht in der Vorratsdatenspeicherung ausmachte. Er setzte sich für das informationelle Selbstbestimmungsrecht als Vertrauensgrundlage für Kommunikation im Internet ein.

Die Anträge der Opposition kämen aber "zur Unzeit", da die Debatte erst nach dem im Frühjahr zu erwartenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur EU-Richtlinie "völlig neu beginne". Dann gälte es auch, "Standards für große Datenspeicherung" durch den Staat sowie im E-Commerce und in sozialen Netzwerken hinzubekommen, "die die Bürger auf hohem Niveau schützen".

Fliseks Fraktionskollegin Christina Kampmann erteilte der Vorratsdatenspeicherung eine Absage. Ihrer Ansicht nach könne sie nicht verfassungskonform ausgestaltet werden, weil sie "im Kern verfassungswidrig ist". Zu erreichen sei damit höchstens ein "scheinbarer Sicherheitsgewinn", während "die Freiheit der digitalen Kommunikation auf dem Spiel steht". Bundesjustizminister Heiko Maas habe deutlich gemacht, dass er diese rechtlichen Bedenken teile und es keinen mit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf geben werde. Andererseits hat der SPD-Politiker aber auch angekündigt, dass die Vorratsdatenspeicherung auf jeden Fall wiederkommen werde.

Der grüne Innenexperte Konstantin von Notz tat die Vorratsdatenspeicherung als "Mittel der anlasslosen Massenüberwachung" ab, das vor allem im Lichte des größten Geheimdienstskandals aller Zeiten "maßlos, weitestgehend nutzlos und unverhältnismäßig" sei. Deren Befürworter argumentierten nur mit Einzelfällen, einen empirischen Nutzen könnten sie nicht nachweisen. Wichtiger sei es, Strafverfolgern effektive Instrumente etwa im Kampf gegen Kinderpornographie in die Hand zu geben. Nötig seien bessere Bilderkennungssoftware, Schwerpunkt-Strafanwaltschaften oder eine bessere Zusammenarbeit mit Providern.

Als "Gefahr für die Pressefreiheit" und "Super-Gau für die freie Kommunikation" lehnte Jan Korte von der Linken die im Raum stehende "Totalprotokollierung" ab, zumal diese den gläsernen Menschen ermögliche. Wer jeden Tag "300 Millionen bis 500 Millionen Datensätze" über Bundesbürger speichern wolle, "geht den Weg in den Überwachungsstaat". Es sei wissenschaftlich unterlegt, dass es ohne Vorratsdatenspeicherung zu "keinerlei Schutzlücke" gekommen sei. (anw)