Studiengebühren schrecken Abiturienten ab

Nach einer noch unveröffentlichten Studie des Bundesbildungsministeriums ist die Zahl der Studienanfänger gesunken, obwohl mehr junge Menschen die Hochschulreife erreicht haben.

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Von
  • Frank Möcke

Im Jahr 2006 haben nach einer repräsentativ durchgeführten Untersuchung bis zu 18.000 Abiturienten wegen der in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eingeführten Gebühren kein Studium aufgenommen. Darunter sind vor allem Frauen und junge Menschen aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern. Im vergangenen Jahr erreichten im Vergleich zum Jahr 2003 17 Prozent mehr Schulabgänger die Hochschulreife, dennoch nahmen 5 Prozent weniger ein Studium auf. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie hervor, die im Auftrag des Bundesbildungsministeriums erstellt worden ist und auf die sich dpa stützt.

Bereits am Wochenende hat sich der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Rolf Dobischat, in einer Sendung des Westdeutschen Rundfunks erneut deutlich gegen Studiengebühren ausgesprochen: "Studiengebühren gehören abgeschafft. Sie sind sozial- und bildungspolitisch falsch. Studiengebühren belasten gerade einkommensschwächere Studierende und deren Eltern, und Studiengebühren können die ohnehin extreme soziale Selektion im deutschen Hochschulsystem noch weiter verschärfen." Es gebe "ernst zu nehmende" Hinweise, dass Studiengebühren junge Menschen abschreckten. Dobischat kann sich auf eine Befragung des Hochschul-Informations-Systems HIS stützen. Sie hat ergeben, dass jeder vierte Studienverzichtler Angst vor Studiengebühren oder Verschuldung habe.

Mit Blick auf den Bildungsgipfel von Bund und Ländern am kommenden Mittwoch erklärte Dobischat: "Die Politik ist sich einig darin, dass wir mehr soziale Durchlässigkeit in Richtung eines Hochschulstudiums brauchen. Warum baut sie dann nicht soziale Barrieren wie Studiengebühren wieder ab?"

Dobischat schilderte in der Sendung "Hallo Ü-Wagen" von WDR5, wie stark in Deutschland die soziale Herkunft über den Bildungsweg eines Menschen entscheidet: "Von 100 Akademikerkindern studieren 83, von 100 Nicht-Akademikerkindern nur 23. Von 100 Einser-Abiturienten wollen 81 sicher studieren, von 100 Einser-Abiturienten aus Nicht-Akademikerfamilien aber nur 68." Für Dobischat ist klar: "Wir müssen ein Hochschulstudium vor allem für einkommensschwächere, hochschulferne Familien attraktiver machen. Da sind Studiengebühren völlig falsch."

500 Euro Studiengebühren im Semester machten mit 83 Euro im Monat immerhin 11 Prozent des durchschnittlichen studentischen Budgets von 770 Euro aus. "Das trifft vor allem jenes Drittel der Studierenden, das weniger als den BAföG-Höchstsatz von 640 Euro zur Verfügung hat."

"Die von den Gebührenländern angekündigten Stipendienprogramme zur sozialen Abfederung von Studiengebühren gibt es noch immer nicht", kritisierte Dobischat, "stattdessen werden den Studierenden zur Finanzierung der Gebühren Darlehen angeboten. Mit Zins und Zinseszinsen müssen einkommensschwächere Studierende, die solch Darlehen in Anspruch nehmen, viel mehr zurückzahlen als jene Studierende, die sich die Studiengebühren leisten können. Das ist nicht sozialverträglich." (fm)