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Was war. Was wird.

Na, schon am Eier suchen? Ach, auch gefundene Ostereier sind nur ein schwacher Trost, meint Hal Faber, bei all den Leuten mit Blockwartambitionen, Logorrhoe oder Statistikproblemen, auf die man ständig trifft.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ostern ist die Zeit der Wuhnder. Das Erckennt man daran, dass Hasen bunte Eier legen, Obama über das Wasse läuft und die Abschaffung von Atomwaffen verkündet. Oder daran, dass Details aus der Area 51 bekannt werden, wo die Mohndlandung gefilmt wurde und Klinsmann am Kreuz henkt. Ganz normale Sachen wie die Aufsteckung des Kampfetas wundern hingegen niemanden. Oh wenn sich der eine oder andere leser über den Anfang dieser Wochenschau wundert, dann hat er nicht den Behördenspiegel im RSS-Feed: Das Blatt berichtet diese Woche, dass jeder vierte Befragte aus dem öffentlichen Dienst rechtsreibung für "unwichtig" hält. Für die Amtsschimmel ist es offenbar völlig egal, ob fehlerfrei mit dem Bürger kommuniziert wird. Ob Penis oder Sensipel, ist alles einen Frage der Lesart. Selbst eine fehlerfrei Rechtsschreibung in Gesetzestexte ist einem Drittel der Befragten völlig Schnupe. nun könnte man mit methodischen Zweigeln an der Korrectheit einer Onlein-Studie kommen, aber: Im Internet bewegt sich nur die Elite von Behördistan. Das Fuzfolg dürfte noch ganz anders denken.

*** Wayne interessiert das, wäre eine typische Heise-Antwort. Ist es nicht völlig egal, was im Gesetz steht, und pfurzegal, ob es dann noch korrektes Deutsch ist? Die völlig verdrehte Debatte über Kinderpornographie legt nahe, dass der Vater des Gedankens eine Mutter mit Statistikproblemen ist. Was daran ungewöhnlich oder überraschend sein soll, wenn Kinder ausbleiben, weil es weniger Erzeuger gibt, bleibt ebenso unklar, wie der Beweis, dass Sperren gegen Missbrauch helfen. Aber die Politik drückt mächtig auf der IT herum. Das neue BSI-Gesetz ist da nur der kleinste Furunkel. Nehmen wir nur den neuen Artikel 91c, der nach den Beschlüssen der Föderalismuskommission II erstmals die IT ins Grundgesetz hievt. "Bund und Länder können aufgrund von Vereinbarungen die für die Kommunikation zwischen ihren informationstechnischen Systemen notwendigen Standards und Sicherheitsanforderungen festlegen." Auf Grund welcher Vereinbarungen konkret?

*** Die entsprechende Mitteilung an die Presse, dass Datenautobahnen endlich allen historischen Verkehrswegen gleichrangig sind, ist von der Rechtschreibung her OK, vom technischen Sinn her natürlich gaga. Man mag es als Reminiszenz an Kanzler Kohl erklären, der 1994 in einer Fernsehsendung mal die Datenautobahnen zur Ländersache machte. Technisch bekommen wir mit Artikel 91c einen IT-Planungsrat, der für Bund und Länder alle Standards bei Hard- und Software festlegen wird, bei abgeschafftem Einstimmigkeitsprinzip. Die Kommunen haben im grundgesetzlich bald festgeklopften IT-Planungsrat keine Stimme mehr, denn Länder-Standards sind dann automatisch kommunale Standards. Sachen wie Limux werden Vergangenheit sein. Etliche öffentliche, heute noch europaweite IT-Ausschreibungen werden entfallen, da IT-Anschaffungen nur noch als "innerstaatliche Organisationsakte" definiert werden. So sehen bunte Eier aus, die die Polithasen legen.

*** In einem außerordentlich verschnarchten Vortrag hat der "Wikipedia-Gründer Jimmy Wales" die deutsche Ausgabe der Wikipedia gelobt. Vielleicht kannte Wales da die Unterschriftenliste gegen eine liberale Löschpraxis noch nicht, mit der die deutsche Wikipedia auf das Niveau eines deutschen Karnickelzüchtervereins sinken will, komplett mit Löschwart, Löschtastenprüfwart, Löschzuchtbrutwart und Bild-Tätowiermeisterin. Es wäre schöner, wenn das wunderbare, freie Netzwerkzeug den Ansporn zu Verbesserungen weckt, doch das ist in Deutschland zu viel verlangt, wo die Relevanzkarnickel ihre Köteln horten. Vielleicht gehen wir eines Tages auf die Wikipedia, drücken Links wie Rechts die SHIFT- und ALT-Tasten, dazu eine Funktionstaste und lachen, wenn "We made Wikipedia, they f***ed it up" erscheint (auf das Auswerfen einer Diskette wird verzichtet).

*** Easter Eggs, so klärt uns die freie Enzyklopädie auf, sind Gagscreens oder Geheimlevel einer Software. So sehen es wohl Leute, die das StarWars-Spiel in OpenOffice für ein Easter Egg halten und sich über den Orden des inkompatiblen Updates am roten Band freuen. Easter Eggs entstanden, weil Firmen ihren Mitarbeitern nicht mehr gestatteten, sogenannte Credit Screens zu benutzen. Sie entsprachen den Würdigungen im Abspann von Kinofilmen. CTRL-F, CTRL-U, CTRL-C, CTRL-K war Tim Drapers Reaktion auf die Apfelbande, ihm zunächst keine Credits für den Easywriter zu geben – mit dem Kommando gelangte man zum Forth-Interpreter, auf dem Easywriter basierte. Die Zeiten, in denen ein Programm zunächst stolz mit den Namen der/s Programmierer/s startete, wie etwa bei Michael Shrayers "Electric Pencil", gingen vor 30 Jahren ihrem Ende entgegen. Als das Monster namens Wordstar auf dem Markt erschien, waren die Credits schon gut in der Hilfe-Datei versteckt (aber auffindbar). Anders beim "Unix PC" von AT&T, dem ersten Computer mit eingebauter Zukunft. Mit .!. in der Kommandozeile wurde die Liste der Programmierer abgerufen.

*** Das berühmteste, weil bekannteste Easter Egg wurde wohl für Windows 3.1 von Microsoft-Programmierern geschrieben und verbarg sich in den vier Farbsegmenten der Windows-Flagge. Je nachdem, welches Segment geclickt wurde, erschienen entweder Bill Gates, Steve Ballmer, Brad Silverberg oder ein Bär (Code für einen besonders tyrannischen Teamleiter) und die Liste der beteiligten Programmierer rollte ab. Wir haben ja Ostern und der Frieden wabert, da darf das IMHO bösartigste Easter Egg nicht fehlen. Man konnte es in dBase 5 für Windows aufrufen, damals ein Borland-Programm mit durchaus normalen Credits in der About-Box. Wer jedoch die ALT-Taste drückte und FOX eingab, rief eine Guillotine ab, die einen Fuchs köpfte. Dazu tauchten die Namen der rivalisierenden Microsoft-Programmierer auf, die die Datenbank FoxPro entwickelten. Ehe dies jemand geschmacklos findet, muss auf Microsoft Word 2.0 verwiesen werden. Im Easter Egg dieses Programmes tauchen neben den Programmierer-Namen kleine Männchen auf, die einen Drachen bekämpfen, der Steuersequenzen von WordPerfect schnaubt, damals die führende Textverarbeitung. Der gerade auf die Erde zurückgekehrte damalige Projektleiter hätte noch ganz andere Dinge eingebaut, den Konkurrenten zu besiegen.

Was wird.

Alles alte Kamellen, für die sich niemand mehr interessiert? Von wegen. Nehmen wir nur OS/2 (CTRL+SHIFT+ALT+O auf dem Desktop), das gerade von der US-Zeitschrift Computerworld zum schönsten toten Betriebssystem aller Zeiten gewählt wurde. Es spielt in der unendlichen Geschichte von SCO eine sehr lebendige Rolle, weil von hier offenbar das Journaled File System den Weg in die Linux-Distributionen antrat. Sollte die Firma ("Alles nur Fleischwunden") tatsächlich den Weg aus Chapter 11 zu einer wieder funktionierenden Klagemaschine schaffen, warten hier die nächsten Kämpfe. Aber ich wollte nichts mehr zum Thema Auferstehung schreiben, das hatten wir letzte Woche an dieser Stelle. Laut Bayern München ist Klinsmanns Kreuzigung in der taz die schlimmste Entgleisung, die es in den deutschen Medien seit Erfindung des Buchdrucks gegeben hat. Und UdoLattek weint. Bitte, wir haben Ostersonntag, der Frieden wabert, die Ostermärsche marschieren und der amerikanische Bürgerkrieg begann vor unrunden 148 Jahren.

Da ist es schon passender, vorab auf das 10. Festival mit alten Computern zu verweisen, das heuer unter dem seltsamen Motto Daseinskampf der Zahlenfresser: Rechnerarchitekturen im Vergleich stattfindet. Vielleicht muss man sich das wirklich so vorstellen, was sich da im Kühlwasser der Boliden abspielte: gewaltige Schaltschränke, ihre messerscharfen Bleche aufgestellt, noch die kleinste Nachkommastelle gnadenlos zu verputzen, bis auch die letzte Zahl von dieser Erde verputzt ist. Gewalt gegen Zahlen und Friede den Menschen – sofern sie nicht Mitglied in einem Schützenverein sind. Ja, das ist Made in Germany. Und bitte, wem das nicht genug ist, an einem friedlichen Ostermorgen, der mag sich an unser Bundeskriminalamt wenden. Pläne zur Verseuchung der Trinkwasserversorgung Berlins dürften einfacher zu aktualisieren sein als ein zickiges ELSTER-Modul von 40 MB. (Hal Faber) / (jk)