Steve Ballmer: Print ist in zehn Jahren tot

In einem Zeitungsinterview äußerte sich der Microsoft-Chef Steve Ballmer über die Entwicklung der Medien, zu Yahoo und zu Googles Strategie.

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Kurz bevor sein Kompagnon Bill Gates in den Teilvorruhestand geht, hat Steve Ballmer offenbar seine Rolle als Visionär übernommen. Erkennbar ist dies an dem sonst gern von Gates benutzten Satzteil "in zehn Jahren …", den der Microsoft-Chef nun in einem Interview mit der Washington Post verwendete. In zehn Jahren werde es keine Mediennutzung mehr geben, die nicht über ein IP-Netzwerk ermöglicht wurde. Es werde keine Zeitungen und auch keine Zeitschriften mehr geben, glaubt Ballmer.

Es mögen bis dahin vielleicht auch 8 oder 14 Jahre sein, das spiele keine Rolle, meint der Microsoft-CEO. Wenn das Fernsehen via IP transportiert werde, könne es interaktiv werden. Wenn sein Sohn Xbox Live mit Freunden in aller Welt spiele, interagiere er sozial, während Ballmer selbst inaktiv vor dem Fernseher sitze und ein Basketballspiel betrachte. In zehn Jahren werde es auch wesentlich mehr Inhalteproduzenten als heute geben. Die Entwicklung dahin habe bereits begonnen. Irgendwann werde es für ihn auch einfacher werden, Aufzeichnungen der Basketballmanschaft seiner früheren Schule über das Internet anzuschauen, hofft Ballmer.

Als seine Lieblingsfernsehserie hob Ballmer Lost hervor. Er schaue sie sich kostenlos, werbefinanziert über das Internet an. Viele Leute seien mit ihm einer Meinung, sagte der Microsoft-Chef auf die Frage angesprochen, warum er sich die Serie nicht über iTunes besorge: "Wenn ich etwas Gutes werbefinanziert bekommen kann und mich die Werbung nicht umbringt, nehme ich es doch, anstatt dafür zu bezahlen." Insgesamt werde es künftig haupsächlich werbefinanzierte Inhalte im Internet geben, Bezahldienste blieben eher die Ausnahme.

Natürlich verpassten die Mitarbeiter der Washington Post nicht die Gelegenheit, Ballmer auf das Hin und Her in den Beziehungen zu Yahoo anzusprechen. Er bestätigte wie zuvor schon das Yahoo-Management, dass es weiterhin Verhandlungen über eine strategische Zusammenarbeit gebe. Ballmer verneinte aber nicht strikt die Frage, ob Microsoft nicht mehr an einer Übernahme interessiert sei. Ob Yahoo-Chef Jerry Yang von Stolz und persönlicher Abneigung gegen Microsoft getragen sei, vermag Ballmer nicht zu sagen. Möglicherweise würden die Klagen von Aktionären hier weitere Details ans Tageslicht bringen.

Carl Icahn, der sich mit dem Yahoo-Management zankt und auf der für den 1. August anberaumten Yahoo-Hauptversammlung den Vorstand mit eigenen Kandidaten besetzen will, um den Kurs des Unternehmens zu ändern, habe vor seinem Einstieg bei dem Internetkonzern keinen Kontakt mit Microsoft aufgenommen, sagte Ballmer. Inzwischen habe es Gespräche mit Icahn gegeben, doch in erster Linie sei der Großaktionär in dieser Sache unabhängig.

Wo Microsoft und Yahoo sind, da ist Google thematisch nicht weit weg. So wurde Ballmer danach gefragt, was er von der Strategie des Suchmaschinen-Primus halte, sich in den Mobilfunkmarkt einzumischen. Es sehe für Ballmer manchmal so aus, als versuche Google ein Telekommunikationsunternehmen zu werden. Aus der Beteiligung Googles an Sprints Wimax-Netz werde er aber nicht schlau, einige Telekommunikationsunternehmen würden wohl auch irritiert sein. Microsoft würde nicht auf die Idee kommen, Mobilfunk-Spektrum zu kaufen und danach mit der Kabel-, Mobilfunk- und Telekommunikationsindustrie zu konkurrieren, betonte Ballmer. (anw)