Verlierer der Energiewende: Kohle und Gas bringen RWE kein Geld mehr

RWE will bei der Energiewende eigentlich ganz vorne mitspielen. Stattdessen droht dem Konzern ein tiefer Sturz in die roten Zahlen. Firmenchef Terium muss überall hart sparen - auch bei Investitionen in Erneuerbare Energie.

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Von
  • Rolf Schraa
  • Nadine Murphy
  • dpa
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RWE präsentiert sich gern als Vorreiter der Energiewende. Mit dem sprachlich etwas holprigen Slogan "VoRWEeggehen" wirbt der Energiekonzern für Windräder und intelligente Stromzähler. Tatsächlich hat die Energiewende aber kaum ein Unternehmen so hart getroffen wie die Essener. Mit seiner Bilanz für 2013, die kommenden Dienstag vorgestellt wird, stürzt der Versorger nach Medienberichten durch hohe Abschreibungen vor allem auf die konventionellen Kraftwerke um Milliarden ins Minus. Der erste Netto-Verlust seit rund 60 Jahren. Und ein schnell durchschlagendes Zukunftsmodell ist nicht erkennbar.

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Ausstieg aus der Kernenergie, ein Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien, intelligente Stromnetze (Smart Grids), usw.: Die Energiewende, nach der Atomkatatrophe in Fukushima auch von der Union auf den Weg gebracht, hat viele Elemente. Mittlerweile werden nicht alle mit Begeisterung gesehen: Bürger protestieren gegen Windparks und Stromtrassen, wenn sie in ihrer Umgebung gebaut werden sollen. Und selbst in der Politik gibt es Zwist.

Viel zu lange habe der Versorger unter der Führung des Ex-Vorstandschefs Jürgen Großmann auf Atomkraft und konventionelle Großkraftwerke gesetzt, sagen Kritiker. Die Verschuldung habe der Konzern nicht konsequent genug angepackt. Jetzt fehlt RWE die Finanzkraft für einen harten Kurswechsel auf dezentrale und grüne Technik wie Mini-Kraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Denn solche dezentralen Angebote bringen viel langsamer Ertrag als die alten Kohle- und Atomkraftblöcke. Und die hohen Schulden von gut 30 Milliarden Euro drohen RWE die Luft abzudrücken.

Die konventionelle Erzeugung machte 2012 noch rund die Hälfte der RWE-Erträge aus. Weil Zuschüsse über die EEG-Umlage Strom aus Wind und Sonne aber so günstig machen, ist der Strompreis an der Börse enorm unter Druck geraten. Statt 50 bis 55 Euro pro Megawattstunde erwirtschaften die Kraftwerke gerade einmal gut 35 Euro – viel zu wenig, um den Konzern in der Zeit des teuren Technologiewandels über Wasser zu halten. Die Situation wird sich im Laufe des Jahres und 2015 sogar noch verschärfen, wenn langfristige Kontrakte mit derzeit noch akzeptablen Preisen auslaufen.

Hart gekürzt wird bei RWE nicht nur am Personal, sondern auch an den Investitionen: bis 2016 um zwei Milliarden – sogar bei den erneuerbaren Energien. Fehlenden Mut, vielleicht fehlende Ideen, auch jeden Fall aber fehlendes Geld beklagen Analysten. Auch für die Zeit nach 2015 seien keine großen Verbesserungen zu erwarten, heißt es etwa von der UBS.

Die Krise der Erzeugung trifft aber nicht nur RWE, sondern die ganze Branche. RWE hat allerdings weniger Alternativen als beispielsweise der große Rivale Eon. Die Düsseldorfer setzen stark auf Investitionen in Schwellenländern wie Brasilien, Türkei und Russland, die noch großes Wachstum versprechen. Ein solcher Zug in die Ferne, der schon bei den überwiegend institutionellen Eon-Eigentümern nicht unumstritten ist, wäre bei den stark kommunal geprägten RWE-Strukturen aber kaum denkbar. Ohnehin sind die Städte und Kreise als mit Abstand größte RWE-Aktionärsgruppe verärgert über die geplante Halbierung der Dividende für 2013.

Die Situation scheint verfahren. Das könnte dem Ruf nach Rettung durch die Politik neuen Auftrieb geben. Unisono fordert die Branche seit langem Geld für das Vorhalten der konventionellen Energie und verweist darauf, dass die Versorgungssicherheit ohne Kohle- und Gaskraftwerke wackeln könnte. Verdi macht aus Sorge um die Arbeitsplätze Druck für Geld für konventionelle Kapazitäten, auch wenn sie gerade nicht laufen. Die Regierung müsse endlich die "Schaffung eines Kapazitätsmarktes vorantreiben", forderte Bundesvorstandsmitglied Erhard Ott am Freitag. Bisher hat die Bundesregierung das Thema auf die Zeit nach der EEG-Reform vertagt.

"Wer Meister werden will braucht eine starke Ersatzbank. Die Leute auf der Ersatzbank werden auch bezahlt, obwohl sie nicht immer spielen", brachte Terium die Branchenforderung vor kurzem im Handelsblatt einprägsam auf den Punkt.

Doch der griffige Fußball-Vergleich überspielt die Tatsache, dass ein solcher Kapazitätsmarkt neue Milliardenlasten für die Energiewende brächte, die wieder von den Verbraucher zu bezahlen wären. "Wir dürfen jetzt nicht in Hysterie verfallen, die den Strompreis für die Verbraucher noch weiter hochtreibt", warnt Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. "Was haben denn die Leute erwartet: Dass eine dezentrale Energiewende nicht ohne Einbußen bei den Branchenriesen abgeht, hätte man sich doch denken können." (jk)