Neuer Anlauf zu Grundrechtserklärung fürs Netz

Bei der NetMundial in Sao Paulo fordert Deutschland eine Internetcharta und setzt sich nicht mehr für ein No-Spy-Abkommen ein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 11 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von

Das No-Spy-Abkommen ist tot. Stattdessen versucht die Bundesregierung dem unbeschränkten Datenklau durch die Dienste mit einer freundliche Prinzipien-Erklärung fürs Internet beizukommen. Für die im Zuge der Snowden-Enthüllungen von Brasilien und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) initiierte NetMundial Konferenz zur Zukunft gemeinsamer Regulierung fürs Netz fordert Berlin die Verabschiedung eines Dokuments, mit dem sich die Teilnehmer zu Grundrechten, Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit bekennen.

Die ebenfalls eingereichten Stellungnahmen der USA, der britischen Regierung sparen ebenso wie die Chinas den Aspekt Datenschutz und Privatheit aus. US-Botschafter Daniel Sepulveda begrüßte eine Debatte über Prinzipien, verbat sich aber jegliche Diskussionen um die Reichweite oder Beschränkung staatlicher Souveränität im Internet.

Ein einheitlicher und effektiver Schutz der Privatsphäre muss global gestärkt werden, heißt es im von den Organisatoren veröffentlichten deutschen Beitrag zur NetMundial. "Auch wenn Bedenken bezüglich der öffentlichen Sicherheit das Sammeln und den Schutz bestimmter sensitiver Informationen rechtfertigen kann, können ungesetzliche oder willkürliche Sammlung persönlicher Daten, als erhebliche Eingriffe, das Recht auf Privatsphäre, Meinungs- und Informationsfreiheit verletzten", heißt es im zweiten von zehn vorgeschlagenen "United Norms" von Sao Paulo.

United Norms soll dabei die Abkürzung des allerdings reichlich langen "Universality of Human Rights online as offline No discrimination Inclusion and Capacity building Transparency & Accountability Empowerment Diversity Neutrality Openness Rule of Law Multistakeholder Format Security and Stability" sein. Bedient haben sich die deutschen Diplomaten dabei aus einem ganzen Sack aus internationalen Vereinbarungen von der ITU bis zur OECD und UN. Die Rechte, die Bürger offline haben, müssen auch online gelten, so eines der schlichten Credos.

Einen klaren Schritt weiter als die deutschen Mitgastgeber für die NetMundial geht Brasilien. Präsidentin Dilma Rousseff mag sich nach ihrer harschen Rede bei den Vereinten Nationen nicht allein mit Erklärungen zufrieden geben. Stattdessen fordert Brasilien neue internationale Mechanismen, die Datenschutz und andere Rechte auch durchsetzen.

Abgesehen von einer stärker internationalisierten Aufsicht für die ICANN und deren Kernaufgabe, den Betrieb der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und damit der Rootzone, will Brasilien ein internationales Abkommen zur Netzsicherheit. Anders als das von China vorgeschlagene soll es sich, zumindest laut dem veröffentlichten Vorschlag, gerade des Problems annnehmen, dass einseitig nationales Recht im Netz durchgesetzt, und damit das eigene Hoheitsgebiet schlicht ausgeweitet wird. Einschränkungen der Privatsphäre beispielsweise hätten internationale Garantien zu berücksichtigen. Den USA dürfte genau diese Debatte nicht gefallen.

Einen spannenden Seitenhieb zum Clash der Systeme im Datenschutz steuert die US-Wissenschaftlerin Susan Ariel Aaronson zur NetMundial bei. Die USA, schreibt sie, drücke in Freihandelsverhandlungen aktiv auf verbindliche Regeln für den "freien Informationsfluss" und greife gleichzeitig Lokalisierungsauflagen für Diensteanbieter und den Datenschutz als Handelsbarrieren an.

Aaronson verdeutlicht damit, dass die Freihandelsabkommen keineswegs wie von der EU Kommission propagiert in den laufenden TTIP-Verhandlungen keine Beachtung finden. Vielmehr ist der Freihandel ein weiteres, und viel weniger transparentes Forum, auf der künftige Datenschutz zur Disposition gestellt werden könnte. Im EU-Parlament greifen die Grünen dieses Thema in der kommenden Woche auf. Mehr Transparenz wären auch bei den Freihandelsverhandlungen doch wohl nur im Sinne des von der deutschen und anderen Regierungen so gelobten "Multi-Stakeholder"-Teilhabe. (jes)