Mannschaft von Bord

Die Schiffstechniksparte des britischen Ingenieurskonzerns Rolls-Royce arbeitet an Containerriesen, die ohne Crew über die Weltmeere schippern sollen.

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Die Schiffstechniksparte des britischen Ingenieurskonzerns Rolls-Royce arbeitet an Containerriesen, die ohne Crew über die Weltmeere schippern sollen.

Mit dem Wort Drohne verbinden die meisten Menschen unbemannte Fluggeräte, doch auch Meeresfahrzeuge könnten in absehbarer Zeit zu Drohnen werden. Wenn es nach den Schiffsdesignern des britischen Technikunternehmens Rolls-Royce in Norwegen und London geht, werden bereits in einer Dekade Handelsschiffe auf den Weltmeeren unterwegs sein, die vollständig ohne Mannschaft auskommen.

"Die Technik ist auf einem Niveau, auf dem wir das umsetzen können und auch gesellschaftlich bewegen wir uns in diese Richtung", kommentierte Oskar Levander, Vizepräsident des Konzerns für den Bereich Innovationen im Schiffbau, gegenüber der Wirtschaftsnachrichtenagentur "Bloomberg". "Wenn wir wollen, dass die Schifffahrt das umsetzt, müssen wir uns jetzt bewegen."

Auch Tanker könnten künftig unbemannt unterwegs sein.

(Bild: Rolls Royce)

Während man die Armeen der Welt bei militärischen Flugdrohnen auch die Sicherheit der eigenen Soldaten im Blick haben, geht es bei automatisierten Ozeanriesen vor allem ums Geld: Solche Schiffsdrohnen hätten enorme Kostenvorteile und könnte computergesteuert effizienter fahren. Zudem müssen Mannschaften derzeit viele Wochen nichts bis wenig tun, während lange Routen abgefahren werden – die Überwachung der Onboard-System könnten Rechner besser übernehmen, meint man bei Rolls-Royce.

Zudem würde ein Schiff ohne aufwendige Mannschaftsquartiere insgesamt bis zu fünf Prozent leichter sein und zwischen 12 und 15 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen, wie Levander sagt. Der Stromverbrauch sinkt und es müssten auch keine Systeme für Wasserversorgung und Abwasser eingebaut werden.

Frachtschiffe im Hafen: Anlegemanöver würden computergesteuert erfolgen.

(Bild: Rolls Royce)

Ganz ohne Menschen sollen solche Meeresfahrzeuge, die beispielsweise Container von China nach Europa bringen könnten, allerdings nicht auskommen. Stattdessen würden sie von professionellen Kapitänen an Land gesteuert, wie dies heute schon bei militärischen Flugdrohnen der Fall ist. Dazu hat Rolls-Royce eine Technik entwickelt, mit der sich eine 360-Grad-Ansicht der Brücke eines solchen Schiffes in eine Virtual-Reality-Umgebung holen lässt: Der Schiffsführer sieht alles, was er auch auf dem Meer sehen würde und kann das Fahrzeug genauso bedienen, wie er es vor Ort tun würde.

Derzeit liegen die Mannschaftskosten eines typischen großen Containerschiffs bei nicht ganz 50 Prozent des Gesamtaufwandes. Zudem sind die meisten Unfälle auf See menschengemacht, Computersysteme könnten sicherer agieren. Ob sich diese Ersparnispotenziale aufgrund der höheren Technikkosten für die Fernsteuerung wirklich realisieren lassen, ist aber noch unklar.

Die Schiffsdrohnen sollen auch im Verband unterwegs sein.

(Bild: Rolls Royce)

Derzeit werden 90 Prozent des Welthandels über Schiffsrouten abgewickelt – und genau dort sehen die Entwickler Optimierungspotenzial. Eine Automatisierung wäre mit heutigen technischen Mitteln relativ einfach zu realisieren, glaubt man bei Rolls-Roycs. Problematischer sind da schon die regulatorischen Fragen – und Bedenken bei der Sicherheit. Damit eine Schiffsdrohne in See stechen darf, müssten auch die Klassifizierungsgesellschaften neue Standards verabschieden. Noch wird darüber nicht intensiv diskutiert,:auch bei der International Maritime Organization (IMO), der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation der Vereinten Nationen, ging noch kein entsprechender Antrag ein. Aktuell wäre ein mannschaftsloses Schiff sogar illegal, weil es weltweit geltende Mindeststandards im Bezug auf Crews gibt, die an Bord vorhanden sein müssen.

So wird es wohl noch dauern, bis Schiffsdrohnen wirklich auf große Fahrt gehen. Einen Einsatz in kleineren Seegebieten wie der Ostsee hält man bei Rolls-Royce aber in absehbarer Zeit für realistisch. Innovationschef Levander sieht zunächst Containerschiffe und Massengutflotten als umsetzbar, etwas später aber auch Tanker und Gasfrachter. Die EU fördert bereits ein größeres Forschungsprojekt, das unbemannte maritime Verkehrssysteme entwickeln soll. Es könnte der Anfang einer längeren Entwicklung werden. (bsc)