Zehn Jahre Digital Millennium Copyright Act: Recht fürs Internet?

Am 28. Oktober 1998 hat der frühere US-Präsident Bill Clinton die Anpassung des US-Copyrights ans digitale Zeitalter unterzeichnet. Bürgerrechtler kritisieren weiter die Verankerung von DRM-Systemen, doch es gibt auch Lob für das Gesetz.

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Genau vor zehn Jahren, am 28. Oktober 1998, hat der frühere US-Präsident Bill Clinton den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt. Dieser Versuch, das US-Copyright an das digitale Zeitalter anzupassen, war bereits im Vorfeld heftig umkämpft. Ein Jahrzehnt später sind sich die Beobachter uneins über die Auswirkungen des Gesetzes, das vor allem aufgrund seiner Bestimmungen zur rechtlichen Sanktionierung technischer Kopierschutzverfahren und von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) bekannt geworden ist.

Die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF) haben rechtzeitig zum Jahrestag eine Neuauflage ihres unregelmäßig erscheinenden Berichts (PDF-Datei) über "unbeabsichtigte Folgen" des DMCA herausgegeben. Das Gesetz hat demnach den Rechten der Öffentlichkeit zur Nutzung geschützter Werke, der freien Meinungsäußerung, der Forschung sowie dem Wettbewerb in der Wirtschaft geschadet. Das Netzmagazin "Wired" überrascht dagegen mit einer fast entgegengesetzten Interpretation: Es feiert den vielfach "falsch verstandenen DMCA" als das Gesetz, "das das Web gerettet hat".

Ein Großteil des Artikels bei "Wired" aber, dessen gedruckte Magazinausgabe den DMCA vor fünf Jahren noch als "breite rechtliche Keule" im Einsatz gegen legitime Nutzungsformen geistiger Eigentumsrechte beschrieb, widmet sich einmal mehr den Auswirkungen der "nach wie vor beunruhigenden" Klauseln gegen das Umgehen von DRM-Systemen. Aufgezählt wird, dass der russische Programmier Dmitry Sklyarov wegen dieser Bestimmungen nach einer Rede auf der Hackerkonferenz DefCon über die Entschlüsselung von Adobes E-Book-Format drei Wochen im Gefängnis saß, der Harvard-Professor Ben Edelman nach wie vor nicht die Innereien des Jugendschutzfilters N2H2 in Augenschein nehmen darf oder der Princeton-Forscher Ed Felten sich wegen angeblich angekündigter Klagen an der Präsentation eines Vortrags über Schwachstellen in Wasserzeichen der Secure Digital Music Initiative (SDMI) gehindert sah.

Im Nachhinein wichtiger erscheinen dem Wired-Autor aber die im "DMCA" festgeschriebenen Haftungsprivilegien für Inhalteanbieter. Diese hätten erst das explosionsartige Wachstum interaktiver Webseiten, Videoportale, sozialer Netzwerkdienste oder auch Online-Shops im Web 2.0 ermöglicht. Konkret geht es um die "Notice-and-Takedown"-Bestimmungen. Diese besagen, dass Zwischeninstanzen und Vermittler wie Provider bei Erhalt einer Meldung über die Darstellung geschützter Werke diese zwar sofort herunternehmen müssen. Wenn ein Nutzer der umstrittenen Inhalte aber versichert, dass eine rechtlich erlaubte Verwendung erfolge, können die Werke wieder online gehen. Für die Netzplattformen und Anbieter wird so eine Art "sicherer Hafen" geschaffen, in dem sie selbst vor Klagen wegen Copyright-Verletzungen freigestellt werden. Hierzulande fordern Provider und Branchenverbände immer wieder Nachbesserungen bei den schärferen Haftungsregeln gemäß diesem US-Vorbild.

Rechteinhaber machen von der "Notice-and-Takedown"-Klausel aber oft sehr freizügig Gebrauch. So musste etwa ein Richter Universal Music jüngst darauf hinweisen, dass der auf Video festgehaltene und auf YouTube veröffentlichte Tanz eines Babys zu einem im Hintergrund scheppernden Song von Prince der "Fair Use"-Doktrin unterliege und das Pochen des Labels auf Entfernung des Videos ungerechtfertigt gewesen sei. Zuvor hatte der US-Konzern Viacom YouTube mit Mahnungen zum Sperren von rund 160.000 Spots und massiven Schadensersatzforderungen überzogen. Inzwischen moniert selbst die Kampagnenleitung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, dass ihre Wahlkampfbotschaften auf der Videoplattform vorschnell wegen Copyright-Bedenken heruntergenommen und zensiert werden. Trotzdem lässt "Wired" einen Anwalt der Motion Picture Assocation of America (MPAA) das Resümee ziehen, dass der DMCA zwar "nicht perfekt", aber "besser als Nichts" sei.

Nach einer Präsentation der schädlichen Effekte der "Anti-Umgehungsregeln" auf 14 Seiten kommt der EFF-Anwalt Fred von Lohmann dagegen zur Schlussfolgerung, dass der DMCA viel mehr Schaden als Nutzen für Verbraucher, Wissenschaftler und Unternehmer mit sich gebracht habe. Dabei habe man nur die schlimmsten Missbrauchsbeispiele herausgegriffen. Andererseits seien Urheberrechtsverletzungen mit dem Vorstoß, der Verträge der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) umsetzt und in Europa 2001 ein Pendant in der Brüsseler Urheberrechtsrichtlinie fand, nicht eingedämmt worden. "Die Musikindustrie hat DRM aufgegeben, und Hollywood verlässt sich darauf im Prinzip, um missliebige Innovationen zu stoppen", klagt Lohmann. "Es ist an der Zeit, dass sich der Kongress von dem gescheiterten Experiment verabschiedet, DRM-Systeme mit falsch ausgerichteten Gesetzen zu stützen." (Stefan Krempl) / (jk)