Blender 2.70 – 3D-Paket mit neuer Oberfläche

Mit dem Long-Term-Release 2.69 hat das Open-Source-3D-Paket einen Meilenstein seiner Entwicklung erreicht – doch die Reise geht weiter: Blender 2.70 ist der erste Schritt auf einem Weg, der tiefgreifende Änderungen bringen wird.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
  • Peter König
Inhaltsverzeichnis

Die freie 3D-Suite Blender hat im Lauf ihrer Entwicklung schon so manches Mal das Gesicht gewechselt, und auch für die heute mit Version 2.70 frisch startende Entwicklungsschiene ist mal wieder geplant, die Bedienoberfläche von Grund auf neu zu gestalten. Wie seinerzeit beim Sprung von der 2.4er-Serie auf Blender 2.5 haben die Entwickler wieder ein spezielles User-Interface-Team gegründet. Anders als damals werden aber diesmal die größeren Änderungen an der Oberfläche nicht alle auf einmal, sondern Stück für Stück eingepflegt.

Ziele sind dabei: Die Bedienung soll für Neulinge einfacher werden, Inkonsistenzen sollen beseitigt werden und alles soll übersichtlicher werden. Beim ersten Öffnen der Version 2.70 fällt auf, dass die Toolbar anders aussieht und deren Funktionen jetzt in Tabs organisiert sind. Dabei wurden die Werkzeuge so gruppiert, dass sich denselben Tab teilt, was für einen Arbeitsschritt gebraucht wird. Auch für Add-ons gibt es jetzt jeweils eigene Tabs. Auf Wunsch werden einzelne Sektionen dauerhaft angezeigt – wer will, kann darüber mit ein wenig Aufwand auch das alte Verhalten der Bedienoberfläche rekonstruieren.

Die Werkzeugleiste auf der linken Seite des Blender-Fensters gruppiert Funktionen auf thematischen Tabs.

Viele Eingabefelder nehmen jetzt Maßeinheiten entgegen, zum Beispiel Grad oder Radians für Rotationen. Bei den Transformations-Werkzeugen wurde diese Option ebenfalls eingeführt. Außerdem kann man einfache Formeln eingeben, etwa um PI/3 rotieren. Eingabefelder mit mehreren Werten, etwa x-, y- und z-Koordinate von Positionen im 3D-Raum, lassen sich über neu eingeführte Mausgesten auf einmal bearbeiten.

Blender soll Animationen in der 3D-Vorschau (Viewport) schneller abspielen als zuvor, da sich die notwendigen Berechnungen zum Aufbau der Szene jetzt auf mehrere Prozessorkerne verteilen. Hat die CPU besonders viele Cores oder Threads, wird dennoch nicht die volle Leistung genutzt, da der Darstellungs-Schritt noch immer als ein einziger Thread abgewickelt wird. In einer kommenden Version soll dieser Schritt ebenfalls auf Mehrkern-Berechnungen zugeschnitten werden.

Der Raytracing-Renderer Cycles stellt jetzt transparente Volumen wie Wolken oder Dunst dar.

(Bild: http://wiki.blender.org)

Auch die Render-Engine Cycles legt an Leistung zu. OSL-Shader (Open Shading Language) werden aufgrund des Updates auf Version 1.4 jetzt 10 bis 30 Prozent schneller berechnet. Ebenfalls bis zu 30 Prozent schneller kommt man dank SSE-Befehlen zu Szenen, in denen diverse prozedurale Texturen, Bild-Texturen und die Darstellung von Haaren auf der CPU gerendert werden – jedenfalls wenn im verwendeten Rechner der passende Prozessor steckt.

Als neue Funktion für Cycles hält das sogenannte Volume Rendering Einzug. Momentan bietet der Renderer homogene Volumen in Festkörpern wie Rauchglas, homogene Volumen wie Nebel sowie heterogene Volumen. Für die Darstellung von Wolken reicht das, Effekte wie Feuer oder Rauch sollen erst in Version 2.71 geboten werden. Außerdem ist das Rendering von Volumen auf die CPU beschränkt.

Der Wireframe-Modifier erzeugt aus den Kanten eines 3D-Objekts wie diesem Ikosaeder ein Drahtgitter.

Das Python-API des integrierten Linienzeichner Freestyle wurde überarbeitet. Diese ist teilweise nicht abwärtskompatibel, sodass Anwender bestehende Module anpassen müssen. Der Motion Tracker zeigt jetzt Plane Tracks als Vorschau an. Sogenannte Weighted Tracks glätten Sprünge in der Kamerabewegung. Letztere lassen sich auch nutzen, um aus Objekten in Videos Punktwolken zu extrahieren, ohne die Berechnung der Kamerabewegung zu stören. Die automatische Auswahl von Features bei der Bilderkennung soll jetzt bessere Ergebnisse liefern.

Die Game Engine importiert auch Bilddateien im Photoshop-Format PSD – unter der Voraussetzung, dass man sie mit der Option "Maximale Kompatibilität" speichert. An die Ebenen in den Bildern kommt Blender dennoch nicht heran. Die Game Engine arbeitet mit Levels of Detail (LoD), wodurch Objekte mit desto weniger Details dargestellt werden, je weiter sie vom Spieler entfernt sind.

Je nach Parameter erzeugt das Bevel-Tool Hohlkehlen, Fasen oder Rundungen.

(Bild: http://wiki.blender.org)

Bei der Aufteilung von N-Gons in Dreiecke garantiert Blender jetzt, dass keine Löcher mehr entstehen und das Ergebnis unabhängig von der Ausrichtung des Vielecks vor dem Konvertieren ist. Das Bevel-Tool kann Kanten je nach verwendetem Parameter unterschiedlich stark nach innen oder außen runden.

Außerdem haben zwei neue Modifier Einzug gehalten. Wireframe erzeugt aus den Kanten eines 3D-Objekts ein Drahtgitter, das wahlweise das Originalmodell ersetzt oder diesem zur Betonung der Kanten hinzugefügt wird. Laplacian Deform hingegen ist dazu gedacht, Objekte schnell in Pose zu werfen. Anstatt erst ein virtuelles Skelett (Rig) anzulegen und darüber die Verformung an der Oberfläche aus dem Inneren zu steuern, werden bei Laplacian Deform Teile des Oberflächengitters (Mesh) ausgewählt, die bewegt werden sollen. Das restliche Mesh verformt sich mit, aber auf eine Art und Weise, die die verursachte Verzerrung minimiert.

Über Laplacian Deform bringt man Figuren ohne Umweg über ein Rig in die gewünschte Haltung.

(Bild: http://wiki.blender.org )

Neue Add-ons rüsten einen Exportfilter für den Online-3D-Präsentator Sketchfab und sowie den sogenannten Node Wrangler nach, der dem Node-Editor zahlreiche Optionen hinzugefügt, die typische Workflows zu erleichtern sollen. Neben weiteren kleineren neuen Funktionen und Detailverbesserungen haben die Entwickler nach eigenen Angaben zusätzlich mehr als 560 Programmfehler gegenüber der Vorversion Blender 2.69 behoben.

Blender läuft unter Windows, Mac OS X und Linux und steht in Version 2.70 zum Download bereit. Die c't zeigt in einem 3D-Workshop in Ausgabe 7/14 anhand von drei Beispielen, wie sich mit Blender kurze, aber raffinierte Animations-Clips bauen lassen.

Siehe dazu auch:

  • Blender im heise Software-Verzeichnis

(pek)