US-Kliniken machen erste Erfahrungen mit Google Health

Ein Bostoner Krankenhaus führt die elektronische Gesundheitsakte des Internet-Riesen ein, erlebt aber bislang nur geringen Zuspruch bei den Patienten.

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Seit seinem Start im Mai schaut die Welt der Medizin gebannt auf Googles "Health"-Projekt. Der Suchmaschinengigant will Patienten und Ärzten mit einer neuen Internet-Anwendung erlauben, ihre medizinischen Befunde, Rezepte und diverse andere gesundheitsrelevante Daten leicht bedienbar zu speichern und mit allen beteiligten Stellen zu teilen, um die Abläufe im Gesundheitssystem zu vereinfachen.

Inzwischen kann jeder, der über einen Google-Account verfügt, auf den Dienst zugreifen. Für den amerikanischen Durchschnittsnutzer ergeben sich dabei einige praktische Funktionen, etwa die Möglichkeit, die eigene Krankheitsgeschichte einzugeben oder die Liste verschriebener Medikamente der letzten Jahre bei einigen großen Apothekenketten durchzusehen. Doch wirklich beweisen muss sich Google Health woanders, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Vernetzte Krankenhäuser wie das Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) in Boston, das zu den ersten gehört, die das System ausgiebig "live" testen, sollen zeigen, dass die Idee funktioniert.

Das Klinikum nimmt seit dem 20. Mai offiziell an dem Projekt teil. Zuvor hatten sich schon die Cleveland Clinic und eine Handvoll Apothekenanbieter, Labore und anderer Gesundheitsfirmen bereit erklärt, Googles Partner zu werden. Sollte Google Health in Boston ein Erfolg werden, könnte das bedeuten, dass Patienten tatsächlich bereit sind, großen "Personal Health Record"-Providern (PHRs) ihre medizinischen Daten anzuvertrauen. Der Google-Dienst und seine Konkurrenten würden dann womöglich das Gesundheitswesen der Zukunft entscheidend mitprägen.

Die digitale Revolution hat in den USA ähnlich wie in Deutschland die Arztpraxen und Kliniken bislang noch kaum erreicht. Die typischen Patientendaten, ein Kompendium aus Testergebnissen und ärztlichen Berichten, die sich ein Patientenleben lang ansammeln, liegen bei Dutzenden von Laboren, Apotheken und Krankenhäusern – oft in Form von Papierordnern oder isolierten Datenbanken. Das Ergebnis: Die Ärzte kommunizieren kaum miteinander, die Informationen bleiben fragmentiert, und die medizinische Versorgung leidet letztlich.

Bis jetzt lässt sich Google Health am BIDMC allerdings nur schleppend an: In der ersten Woche nach dem Start zog der Dienst nur 150 der mehreren hunderttausend Patienten an, die jedes Jahr Beth Israel Deaconess besuchen. Zum Vergleich: PatientSite, ein von der Klinik schon seit Längerem angebotenes System elektronischer Gesundheitsakten, hat bereits 40.000 Nutzer.

Eine der größten Unbekannten – und das Thema großer Debatten – ist die Frage, ob die Patienten Google genug trauen, um dem Online-Riesen ihre medizinischen Daten zu übergeben. Weil er weder ein Gesundheitsversorger noch ein Versicherungskonzern ist, fällt er auch nicht unter das entsprechende US-Datenschutzgesetz HIPAA. "Wenn es keinen gesetzlichen Schutz gibt, existiert immer das Risiko, dass Daten auf eine Weise genutzt werden, die nicht im besten Sinne des Patienten sind. Dabei geht es um viel Geld", meint Isaac Kohane, IT-Chef am Children's Hospital in Boston. Am BIDMC sieht man das anders: Der zuständige Informationsdirektor John Halamka meint, Google passe "in Sachen Privatsphäre höllisch auf". "Die können ihre Plattform doch dicht machen, wenn das Vertrauen verloren geht."

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(bsc)