Proteste gegen Regierungsentwurf für Kinderporno-Sperren

Die Kritik am Vorstoß der Bundesregierung zur Blockade kinderpornografischer Webseiten reißt nicht ab: Forscher sprechen von "Sauerei", Blogger streiken, Provider fordern Nachbesserungen.

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Die scharfe Kritik am Vorstoß der Bundesregierung für ein Gesetz zu Websperren im Kampf gegen Kinderpornografie reißt nicht ab. Der Münsteraner Informationsrechtler Thomas Hoeren etwa sprach gegenüber heise online von einer "Sauerei", dass es nun doch um die Aufzeichnung von IP-Adressen gehe. Noch vor einer Woche habe das Bundesfamilienministerium das Gegenteil versichert. Die Erfassung personenbezogener Daten bezeichnete der Rechtsprofessor als "schweren Eingriff ins Fernmeldegeheimnis", dem nicht durch ein reines "Zitieren" der entsprechenden Normen zur Einschränkung von Grundrechten Genüge getan werden könne.

Die Eile bei dem Vorstoß erklärt Hoeren nicht nur mit der näher rückenden Bundestagswahl im Herbst und den verbleibenden wenigen Sitzungswochen, sondern auch mit der von der EU vorgegebenen dreimonatigen Frist zur Vorlage von Gesetzen rund um die Informationsgesellschaft. Diese Abstimmung mit Brüssel habe Berlin offensichtlich noch nicht eingeleitet, da sich der Gesetzesentwurf noch nicht auf den entsprechenden EU-Servern finde. Möglicherweise gehe es der Bundesregierung so nur noch darum, das Papier in den Bundestag einzubringen und ansonsten auf die vertragliche Sperrvereinbarung zwischen dem BKA und großen Providern zu setzen.

Der Spreeblick tritt in Streik

Die Blogger von Spreeblick sind unterdessen anlässlich des Kabinettsbeschlusses (PDF-Datei) für ein entsprechendes Gesetz am heutigen Mittwoch in einen "demonstrativen Streik" mit einer schwarzen Startseite getreten. Sie bezweifeln, dass die Bekämpfung von Kinderpornographie der wahre Grund für die angekündigten Blockaden sind. Internetsperren seien abzulehnen, da sie "ob ihrer Intransparenz und technischen Zweifelhaftigkeit eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland sein könnten". Weiter heißt es in dem Protest: "Wir fühlen uns durch die von Fachleuten wiederholt in Frage gestellten Zahlen und Fakten, die das Familienministerium kommuniziert, als wählende Bürger belogen."

Der Branchenverband Bitkom begrüßte es indes, dass die Sperrung von kinderpornographischen Webseiten nun gesetzlich geregelt werde. "Zugangshürden sind eine wichtige Maßnahme gegen solche Verbrechen", befand der Präsident der Lobbyvereinigung, August-Wilhelm Scheer. Die beschlossene Variante, die Blockaden im Telemediengesetz (TMG) zu regeln, sei aber nicht optimal.

Oppositionsparteien betrachten die Initiative skeptisch. Die Bundesregierung "läuft ins Leere", bemängelt etwa Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, die "Symbolpolitik". Dass Nutzerinformationen, die über die Stopp-Seite generiert werden, zu Ermittlungszwecken an das Bundeskriminalamt (BKA) weitergegeben werden dürften, sei unter datenschutzrechtlichen Aspekten "nicht hinnehmbar". Diese Bestimmung wäre besonders problematisch, falls auch Seiten wie die Whistleblower-Plattform Wikileaks auf die Sperrliste wandern würden, die lediglich mittelbar auf Angebote mit kinderpornographischen Inhalten verweisen. Ferner solle das BKA mit Kompetenzen ausgestattet werden, die über dessen Aufgabenbeschreibung hinausreichen würden. Spitz rief die Regierung dazu auf, besser konsequent und wirkungsvoll gegen Kinderpornographie vorzugehen.

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(Stefan Krempl) / (jk)