Labels testen MP3-"Flatrate" in Großbritannien

Neues Experiment der Musikindustrie: Zwei Major-Labels und zahlreiche Indies unterstützen einen neuen MP3-Anbieter, der gegen eine Jahresgebühr von 100 Pfund den Zugriff auf 2,5 Millionen Songs im MP3-Format verspricht – allerdings mit Einschränkungen.

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Wie vermarktet man Musik erfolgreich im digitalen Zeitalter? Nicht mehr auf CD, diese Erkenntnis hat sich in den Chefetagen der Musikindustrie inzwischen durchgesetzt. Welche Alternativen das Netz bietet, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Die Branche probiert – mit unterschiedlichem Erfolg – verschiedene Modelle aus, ohne bisher dem Platzhirsch iTunes ernsthaft Paroli bieten zu können.

In Großbritannien macht nun ein bisher international kaum in Erscheinung getretenes Unternehmen den Versuch, ein neues Angebot zu etablieren: Für eine jährliche Flatrate-Gebühr von knapp 100 Pfund (126 Euro) verspricht die Datz Music Lounge MP3-Downloads satt – allerdings zunächst nur für eine begrenzte Anzahl britischer Kunden.

Das Angebot der Music Lounge umfasst nach Unternehmensangaben bisher rund 1,5 Millionen Einzelsongs, soll aber bald auf rund 2,5 Millionen ausgebaut werden. Die Songs sind mit 256 bis 320 kBit/s kodiert und DRM-frei, können frei auf andere Datenträger und Player kopiert werden und bleiben auch nach Ablauf des Jahres-Abos im Besitz des Kunden.

Der Zugriff erfolgt über eine eigene Software, die bisher nur für Windows-Rechner erhältlich ist. Eine Mac-Version soll Anfang Dezember fertig sein; für Linux-Unterstützung gibt es bisher keine Pläne, sagt ein Sprecher. Mit dem Abonnement erhält der Kunde einen USB-Stick, der als Sicherheits-Dongle den Zugriff auf das Angebot freigibt – allerdings maximal auf zwei Rechnern.

Bisher bringen die Major Labels EMI und Warner Music sowie die Beggars Group und das Indie-Distributionsnetz The Orchard ihre Digital-Kataloge in die Lounge ein. Auch frisches Material soll bei Erscheinen ins Programm genommen werden. Wie schnell und umfassend die Labels ihre Neuheiten einbringen, hängt dabei auch von Vereinbarungen mit Künstlern ab. Gespräche mit weiteren Labels laufen, sagt der Sprecher.

Hinter dem Angebot steckt ein britischer Mobilfunk-Dienstleister für den Handel. Das Unternehmen Comment Retail Service versorgt Handelspartner wie Woolworth und WHSmith mit Handy-Bundles und kümmert sich um die Abwicklung. Im Oktober 2007 startete der Anbieter ein Downloadangebot für Songs mit DRM-Schutz unter der Domain datz.com, aus dem nun die Music Lounge wurde.

Warum die beiden beteiligten Majors das MP3-Experiment ausgerechnet mit Datz.com und nicht mit einem der etablierteren Anbieter wagen, ist noch ihr Geheimnis – reden wollen sie darüber ebenso wenig wie über das Geschäftsmodell. Das Ganze sieht allerdings nach Feldversuch aus, bei dem sich die Labels abgesichert haben: Zunächst wird das Testfeld auf 100.000 Nutzer begrenzt, darüber hinaus soll eine "Fair Use"-Politik den Ausschluss von Powersaugern ermöglichen.

Ob der Test ausgeweitet wird, hängt damit wesentlich von den Erfahrungen in Großbritannien ab. Ausschließen möchte der Anbieter das derzeit nicht. Wenn alles glatt läuft, soll zunächst die 100.000-Nutzer-Mauer fallen. Auch über die Erweiterung des Angebots auf andere Märkte will man dann nachdenken. Für Branchenkenner gehört die Datz Music Lounge trotz der noch vorhandenen Schwächen zu den zukunftsfähigen Vermarktungsmodellen.

Sollte sich das Modell etablieren können, wird es für ähnliche Angebote – wie das zuletzt von Nokia vorgestellte, aber bisher enttäuschende Comes With Music oder etwa Streaming-Abonnements – ziemlich eng. Sie setzen immer noch auf digitalen Kopierschutz, bei dem Musik zwar bezahlt wird, aber nicht vollständig in den Besitz des Kunden übergeht. (vbr)