Godot lässt auf sich warten: Wann kommen die neuen Top Level Domains?

Die Internet-Verwaltung hat bislang für neue TLDs die Einführung einer schwarze Liste für geographische Bezeichnungen verworfen. Bewerber sollen für Adressen wie .berlin die Unterstützung der jeweiligen Behörden und der lokalen "Community" nachweisen.

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Von
  • Monika Ermert

Eines der Hauptthemen bei der Konferenz der Internet-Verwaltung ICANN in Paris ist die Einführung neuer Top Level Domains (TLDs), die langsam näherrückt. Künftig soll, wenn alles glatt geht und die ICANN nicht wieder ganz anderes beschließt, über ein Standardverfahren die regelmäßige Einführung neuer Adresszonen möglich sein – private Nutzer, Firmen, Organsiationen und Institutionen sowie öffentliche Einrichtungen sollen dann einfach eigene TLDs registrieren können.

Einzelne Regierungen fürchten dabei einmal mehr, dass Länder- oder Ortsbezeichnungen ohne ihr Wissen eingeführt werden könnten. Der vorliegende Entwurf für die Politik bei neuen TLDs enthalte ein klares Widerspruchsverfahren für Regierungen, unterstrich Avri Doria, Vorsitzende der bei der ICANN für die Top Level Domains zuständigen Generic Names Supporting Organisation (GNSO). Man habe sich bewusst gegen eine schwarze Liste und für Entscheidungen im Einzelfall entschieden, meinte Doria. Die Entscheidung über das endgültige Verfahren liege aber in der Hand des ICANN-Vorstandes. Eine Entscheidung für den Start der Verfahren wird von vielen mit Spannung erwartet.

Die Diskussion um die "schwarze Liste" zeigt das Auf und Ab um die Einführung nicht auf bestimmte Nutzer- oder Betreibergruppen eingeschränkter neuer TLDs. Eine Liste von weltweit zu schützenden geographischen Namen gebe es bislang nicht; die GNSO habe auch davor zurückgeschreckt, eine solche zu erstellen, sagte Doria auf die Nachfrage einer dänischen Regierungsvertreterin. Auch für die zweite Ebene, also die vom jeweiligen Benutzer zu registrierende Second Level Domain, haben die ICANN-Gremien, darunter auch die Regierungen, die Idee einer schwarzen Liste aufgegeben. Einerseits bekäme man eine ziemlich lange Liste, andererseits könne es, erinnerte Doria, legitime Nutzungen geographischer Adressen wie etwa USSteel erschweren.

Nach den vorliegenden Entwürfen haben Bewerber für Adressen wie .berlin die Unterstützung der jeweiligen Behörden und der lokalen "Community" nachzuweisen. Das Berliner Unternehmen dot.berlin, das seit drei Jahren für die Einführung einer Berliner City-TLD wirbt, hat laut Angaben von Geschäftsführer Dirk Krischenowski kürzlich Gespräche mit der Senatskanzlei aufgenommen. In der Senatskanzlei hatte es zunächst erheblichen Widerstand gegen die City-TLD gegeben. Als gute Nachricht bezeichnete Krischenowski die jetzt stattfindenden Gespräche. Im Lauf der Woche könnte sich seiner Aussage nach der Bürgermeister von Paris hinter die vom Chef der Internet Society Frankreich gestartete Initiative .paris stellen. Am Mittwoch entscheidet in New York City der Stadtrat über eine mögliche Zustimmung zur Einführung einer .nyc-Domain.

Alle City-TLDs wie auch die neu antretenden Konsortien für Adressen wie .naa für die nordamerikanischen Indianerstämme, .cym für die walisische und .gal für die galizische Sprachgemeinschaft oder .sport müssen vermutlich noch mehr Geduld mitbringen. Beobachter fürchten eine weitere Verzögerung der Zulassungsverfahren durch die ICANN, von der viele gehofft hatten, sie werde in Paris endgültig über die Einführung entscheiden.

Fallen könnte dagegen der Startschuss für Länderdomains in nicht-lateinischen Schriftzeichen, denn dort ist der Druck von Seiten interessierter Regierungen recht hoch. Der russische Regierungsvertreter Vladimir Vasiliev, Deputy Director der Abteilung Information Society Strategy im Ministerium für Technologie und Kommunikation, erklärte gegenüber heise online: "Ich wäre sehr, sehr erfreut, wenn ICANN in dieser Woche den Beschluss fällt."

Mit Vasiliev nimmt erstmals ein russischer Regierungsvertreter an einem ICANN-Meeting und den Beratungen im ICANN-Regierungsbeirat teil, allerdings nur als "Beobachter", wie Vasiliev mehrfach unterstrich. Die russische Regierung wolle nach der kürzlichen Ankündigung von Präsident Medvedev, eine kyrillische Adresszone für die Russische Föderation einzurichten, alle notwendigen Vorbereitungen treffen. Es sei kein Problem, meinte Vasiliev, noch in diesem Jahr alle von der ICANN bislang vorgesehenen Vorbereitungen abzuschließen. Auf die Frage nach möglichen Plänen, sich mit einer unabhängigen Root-Zone vom globalen Netz abzukoppeln, sagte Vasiliev, er sei zwar nicht Experte für solche Fragen, "persönlich halte ich eine Spaltung des Netzes nicht für gut." Mehrfach war in der jüngsten Zeit über Pläne Russland spekuliert worden, eine eigene Root-Zone für das DNS im Internet einzuführen.

Nicht so glücklich über einen frühen Start der internationalisierten ccTLDs, für die man eigenes eine spezielles "Schnellspur-Verfahren" starten will, sind die auf neue gTLDs wartende große und kleine Registries. "Wir sollten uns nicht gegenseitig ins Hintertreffen bringen", warnte Chuck Gomes von VeriSign gegenüber den Regierungen. Auch die gTLD-Registries hoffen auf ein gutes Geschäft mit neuen TLDs.

Zum 32. Treffen der Internet-Verwaltung ICANN siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Whois siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)