Probe aufs Exempel

Google und die NASA wollen testen, ob Quantencomputer reif sind für den praktischen Einsatz.

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Google und die NASA wollen testen, ob Quantencomputer reif sind für den praktischen Einsatz.

Diese Rechenmaschinen sind der Traum jedes Computerwissenschaftlers – nur sind sie leider bislang noch Stoff für Science-Fiction-Romane. Theoretisch können Quantencomputer in einer Minute Probleme lösen, an denen konventionelle Computer Tausende von Jahren arbeiten. Bisher gibt es jedoch nur Prototypen, mit denen Wissenschaftler zeigen, dass die Idee im Prinzip funktioniert. Wirklich nützlich sind diese Maschinen noch nicht.

Einzige Ausnahme: Das kanadische Unternehmen D-Wave Systems behauptet, den Stein der Weisen gefunden und alltagstaugliche Quantenrechner entwickelt zu haben. Darum tobt jedoch ein heftiger akademischer Streit. Denn bislang konnte das Unternehmen weder zeigen, dass sein Rechner Quanteneigenschaften nutzt, noch dass er spürbar schneller rechnet.

Das soll sich 2014 ändern. Für Google und die NASA installierte D-Wave im Sommer 2013 im Supercomputer-Forschungszentrum der NASA sein neuestes Modell. Seit dem Herbst läuft die Maschine. Jetzt wollen die Projektpartner sie erstmals mit praktischen Problemen füttern.

Anders als die meisten universitären Forschungsprojekte setzt D-Wave auf ganz spezielle Quantensysteme: Leiterschleifen aus Niob. Kühlt man diese mit Helium, werden sie supraleitend, verlieren also jeden elektrischen Widerstand. Prinzipiell kann der Strom dann sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn fließen. Jede supraleitende Schleife verhält sich damit wie ein überlagertes Quantensystem mit zwei Zuständen – ein Qubit, das gleichzeitig die Werte Null und Eins repräsentiert.

Jede Rechenoperation, die auf ein Qubit angewendet wird, wirkt also gleichzeitig auf zwei Zahlenwerte. Bei zwei Qubits sind es vier Werte, bei drei acht und so weiter. Das wirkt sich so aus, als würde der Quantenrechner nicht nur mit einem Prozessor rechnen, sondern mit Hunderttausenden gleichzeitig. Der Vorteil dieser "adiabatischen Quantencomputer" ist ihre geringe Empfindlichkeit. Während andere Forschungsprototypen mit 10 oder 15 Qubits rechnen, hat der D-Wave-Rechner im NASA-Forschungszentrum 512 Qubits zur Verfügung. Der Nachteil: Der D-Wave-Rechner kann seine Stärken nur in sogenannten Optimierungsproblemen wirklich ausspielen.

Genau die sind allerdings für die NASA durchaus interessant. Zu Anfang wollen die Weltraumforscher beispielsweise berechnen, wie sie die Kapazität ihrer konventionellen Supercomputer optimal ausnutzen können. Auf der Liste steht aber auch die Frage, welchen Weg ein autonomer Marsrover fahren müsste, damit er möglichst viel interessantes Gelände erkundet. Die zusätzliche Schwierigkeit: Die ihn unterstützenden Satelliten, die den roten Planeten umkreisen, müssen möglichst oft in Funkreichweite sein.

Google will sich nach eigenen Angaben vor allem dem maschinellen Lernen widmen, das zum Beispiel bei der automatischen Analyse von Bildern und Videos oder der Übersetzung von Texten zum Einsatz kommt. In einem internen Wettlauf sollen die Quantenprogramme zeigen, dass sie schneller mit extrem großen Datenmengen fertig werden als die besten konventionellen Rechner des Internetkonzerns.

Die Chancen dafür stehen tatsächlich nicht schlecht. Der Physiker Seth Lloyd, der seit 2002 am Massachusetts Institute of Technology an Quantenrechnern forscht, zeigte kürzlich, wie man die Quantenrechner programmieren müsste, damit sie exponentiell schneller sind. Durch einen cleveren Trick müssen sie nämlich nur auf einen Teil der Daten tatsächlich zugreifen, um Datensätze mit bestimmten Eigenschaften zu finden. Ob dieser Trick in der Praxis auch funktioniert, wird sich nun zeigen. Anders als die ersten Kunden von D-Wave, der Luftfahrtkonzern Lockheed Martin oder der CIA-Forschungsableger In-Q-Tel, hat Google wenig Grund, mit technischen Erfolgen hinter dem Berg zu halten. (wst)