640 KB waren nie genug: Bill Gates geht

Der letzte Arbeitstag von Bill Gates naht. Fortan will sich der Selfmade-Mann vorrangig um seine Bill und Melinda Gates Foundation kümmern und als Aufsichtsratsvorsitzender von Microsoft nur gelegentlich bei "Schlüsselprojekten" beratend tätig sein.

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Von
  • Detlef Borchers

Der letzte Arbeitstag von Bill Gates naht. Am kommenden Freitag zieht sich der 53-jährige Microsoft-Gründer aus dem operativen Geschäft der Firma zurück, ganz nach Plan, wie vor zwei Jahren angekündigt. Fortan will sich der Selfmade-Mann vorrangig um seine Bill und Melinda Gates Foundation kümmern und als Aufsichtsratsvorsitzender von Microsoft nur gelegentlich bei "Schlüsselprojekten" beratend tätig sein. Als Aufsichtsratsvorsitzender ersetzt Gates Jon Shirley, der mit 70 Jahren in den Ruhestand geht.

Noch zu seinem 50. Geburtstag meinte Gates, dass ein Leben als Privatier für ihn nicht in Frage käme und die Arbeit bei Microsoft noch viele Herausforderungen bieten würde. Damals arbeitete er noch als Chief Software Architect, eine Funktion, die mittlerweile Ray Ozzie  übernommen hat. Inzwischen ist die Gates-Stiftung für ihn wichtiger, deren Wirken ebenfalls nach Plan begrenzt wurde. Glaubt man den Analysten, so ist der Zeitpunkt für den Abschied von Gates günstig. Gerade weil Windows Vista nicht der erhoffte Renner war, sei das düpierte Entwicklerteam beim nächsten Anlauf mit Windows 7 besonders motiviert, behauptet etwa Robert Enderle von der Enderle Group, der den Abschied von Bill Gates mit dem Ausstieg von Thomas Watson Jr. bei IBM vergleicht. Voll des Lobes ist auch der für Forrester Resarch arbeitende George Colony, der den konstruktiven Monopolismus als die Erbschaft von Gates bezeichnet, von der Microsoft noch lange zehren kann. Von dieser Art Standards zu setzen, habe die gesamte PC-Branche profitiert.

Der unbedingte Wille, mit harten Bandagen nicht unbedingt die innovativsten Produkte auf dem Markt durchzusetzen, führt in der Rückschau dazu, dass die Konkurrenten des ehrgeizigen Gates nicht unbedingt gut wegkommen. So zitiert ein BBC-Bericht zum Abschied von Gates den britischen Computerpionier Alan Sugar mit einer Beschreibung, wie Microsoft sein DOS bei Amstrad gegen das DR-DOS von Digital Research durchsetzte. Im selben BBC-Bericht kommt Lotus-Gründer Mitch Kapor mit einem abwertenden Zitat über die Qualität von Microsoft-Software zu Worte, dessen Authenzität Kapor in seinem eigenen Blog vehement bestreitet. Nach Kapor bekämpfte Microsoft seine Firma Lotus mit allen erdenklichen Mitteln hart an der Grenze zur Illegalität. Mit Gates freut sich Kapor, dass seine besten Qualitäten nun der Gates Foundation zugutekommen. "Doch das heißt nicht, dass das riesige Gates-Vermögen ausschließlich auf faire Weise zusammengetragen wurde oder dass Bill Gates unkritisch als Vorbild für den Weg eines erfolgreichen Geschäftsmannes herhalten kann. Wer das macht, schreibt die Geschichte um und verherrlicht ein Geschäftsgebaren, das für Konsumenten wie Märkte schädlich ist."

Vielleicht wird die Geschichte schon umgeschrieben, werden bereits die Legenden gedruckt. Gates' Abschied auf Raten wird von einer Reihe von Artikeln begleitet, die kräftig an der Legende vom tollen Geschäftsmann und Visionär werkeln. Diese Tendenz hatte schon 2002 der Journalist (und Lotus-Fan) James Fallows erkannt, der in einem Artikel für die New York Times das berühmteste Gates-Zitat "640K should be enough for anyone" mit dem Marie Antoinette zugeschriebenen "Brioche-Zitat" verglich. Ebensowenig wie Marie Antoinette jemals dem hungernden Volke empfahl, Kuchen zu essen, weil es kein Brot mehr gab, hat Bill Gates die PC-Nutzer dazu aufgefordert, sich mit 640 KB Arbeitsspeicher zufriedenzugeben. Fallows, der an seinen Artikel die protestierende Mail von Bill Gates anfügte, glaubte nicht, dass Gates diesen populären Irrtum korrigieren können werde. So werden ihn die 640K auch bei seiner Arbeit für die Gates Foundation begleiten.

Siehe zu Bill Gates und seinem Abschied vom Tagesgeschäft bei Microsoft auch:

(Detlef Borchers) / (jk)