Personal Genome Project vertreibt Stammzellen
Neben dem Erbgut Tausender Freiwilliger will der Genforscher George Church nun auch ausdifferenzierbares Gewebe weltweit zu Forschungszwecken anbieten.
Forscher auf der ganzen Welt dürfen demnächst mit kleinen Stückchen des renommierten Genforschers George Church experimentieren. Der Harvard-Medical-School-Professor gehört zu den ersten Menschen, aus dessen Hautzellen Stammzell-Linien produziert werden, um sie dann innerhalb der globalen Forschungsgemeinde zu vertreiben – zusammen mit einer vollständigen Datensammlung zur Identität des Spenders und seinen genetischen und medizinischen Eigenheiten, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe.
Church und seine Kollegen hoffen, dass diese Zellen eine ganz neue Dimension genetischer Untersuchungen menschlicher Krankheiten ermöglichen werden. Die meisten aktuellen Studien vergleichen das Genom einer Gruppe von Personen mit einem bestimmen Phänotyp – beispielsweise Menschen mit Diabetes oder Herzkrankheiten – mit dem gesunder Freiwilliger. Wären jedoch auch Stammzell-Linien vorhanden, die sich zu Gewebetypen ausdifferenzieren lassen, die von der untersuchten Krankheit betroffen sind, würde das Forschern erlauben, die molekularen Veränderungen zu ermitteln, die zwischen einer entsprechenden Genausstattung und dem tatsächlichen Krankheitsausbruch liegen. "Für nahezu jede genetische Variation gibt es auch eine Veränderung auf Zellebene", sagt Church. Mit der gleichzeitigen Auslieferung von Genom und Stammzellen soll sich das nun genau erforschen lassen.
Möglich wird dies durch eine neue Methode zur Generierung induzierter pluripotenter Stammzellen mit Hilfe einer Umprogrammierung adulter Zellen. Sie gilt als wichtiger Durchbruch in der Stammzellforschung und ermöglicht Forschern, Zell-Linien gesunder menschlicher Spender zu schaffen, die sich nahezu wie embryonale Stammzellen verhalten und zu vielen verschiedenen Gewebetypen heranwachsen können.
Church ist nicht der einzige Freiwillige, dessen Gewebe weltweit vertrieben werden soll. Der Forscher will Hunderte und später sogar Tausende von Zell-Linien in den nächsten Jahren im Rahmen des Personal Genome Project (PGP) anbieten. Das PGP wurde vor zwei Jahren gestartet, um die Fortschritte, die in jüngster Zeit bei der Gensequenzierung gemacht wurden, möglichst breit zu nutzen. Bislang hat das Projekt zehn Freiwillige angeworben, in den nächsten Jahren sollen es jedoch hunderttausende werden. Church hofft, dass jeder von ihnen auch eine Hautbiopsie über sich ergehen lassen wird, um Stammzellen gewinnen zu können.
Jay Lee, Forscher in Churchs Labor, der an dessen Stammzellen erste Experimente durchgeführt hat, berichtet, dass ihm die Arbeit anfangs etwas merkwürdig vorgekommen sei. "Gewebe von einer Person zu erzeugen, die man kennt, beispielsweise Haare, ist schon ziemlich komisch. Es ist ein Phänomen, das man in der modernen Medizin bislang noch nicht kannte."
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(bsc)