Digitaler Binnenmarkt: Die vom EU-Parlament geplanten neuen Telekommunikationsregeln im Überblick

Das von den EU-Abgeordneten verabschiedete "Telecom-Paket" enthält jenseits der Abschaffung der Roaming-Gebühren und Bestimmungen zur Netzneutralität auch neue Verbraucherrechte und einen Rahmen für mobiles Breitband.

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Inhaltsverzeichnis

Mit 534 zu 25 Stimmen bei 58 Enthaltungen hat das EU-Parlament neue Regeln für den "digitalen Binnenmarkt" beschlossen, die nach der Europawahl im Mai mit dem EU-Rat festgezurrt werden sollen. Mit der Verordnung sollen die Regulierungsvorgaben für die elektronische Kommunikation vereinheitlicht werden. So soll etwa die Freiheit der grenzüberschreitenden Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste und -netze in verschiedenen Mitgliedstaaten durch ein harmonisiertes allgemeines Genehmigungsverfahren bekräftigt werden.

Jeder Anbieter elektronischer Kommunikation erhält prinzipiell das Privileg, in der gesamten EU elektronische Netze und darauf basierende Dienste anzubieten und die damit verbundenen Rechte in allen Mitgliedstaaten wahrzunehmen, in denen er tätig ist. EU-Länder, die eine Anmeldung für Betreiber verlangen, sollen nachweisen müssen, dass dieser zusätzliche Aufwand gerechtfertigt ist. Einen "EU-Pass" für Telcos, den die EU-Kommission im September 2013 mit ihrem Aufschlag für das Reformprojekt ins Spiel brachte, fanden die Volksvertreter zu kompliziert.

Harmonisiert werden sollen auch die Grundsätze, wonach sich Betreiber untereinander den Endkundenzugang auf Bitstromebene einräumen können. Es geht dabei um Bedingungen für "hochwertige Vorleistungsprodukte", die eingesetzt werden, um Dienstleistungen für andere TK-Unternehmen zu erbringen. Dieser Schritt soll aufgrund sinkender Kommunikationskosten erheblich dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen zu steigern. Den europäischen Regulierern bleibt es überlassen, technische Einzelheiten festzulegen.

Im Interesse des Zusammenwachsens von Geschäftsbedingungen und als vertrauensbildende Maßnahme in die digitale Welt sollen auch die Vorschriften zum Verbraucherschutz EU-weit festgelegt werden.

Darunter fallen etwa Vorgaben zu Nichtdiskriminierung, ausführlichen vertraglichen Informationen, zur Vertragsbeendigung nach maximal 24 Monaten und zum Anbieterwechsel. Weiter zählen dazu Vorschriften über den Zugang zu Online-Inhalten und Anwendungen sowie das Verkehrsmanagement und Standards in Bezug auf die Vertraulichkeit, den Schutz und die Sicherheit der Daten der Nutzer. Diese sollen zugleich "die Nachhaltigkeit des Internet-Ökosystems als Motor für Innovation gewährleisten".

Netzneutralität definieren die Abgeordneten als Grundsatz, wonach "der gesamte Internetverkehr gleich und ohne Diskriminierung, Einschränkung oder Störung unabhängig von Absender, Empfänger, Art, Inhalt, Gerät, Dienst oder Anwendung behandelt wird". "Spezialdienste" dürfen nur bei durchgehend verbesserter Qualität "über logisch getrennte Kapazitäten und mit strenger Zugangskontrolle" bei ausreichenden Netzkapazitäten erbracht werden. Unzulässig sind willkürliche Blockaden und den Internetverkehr zu verlangsamen oder zu verschlechtern. Kritiker hatten befürchtet, dass Provider mit den zunächst vorgeschlagenen Formulierungen ein Zwei-Klassen-Netz etablierten könnten.

Die Parlamentarier wollen auch das Filtern und Überwachen elektronischer Kommunikation durch die Provider erschweren. Derlei bedürfe einer klaren rechtlichen Grundlage, unterstreichen sie. "Freiwillige Vereinbarungen" müssten Gegenstand einer vorherigen gerichtlichen Überprüfung sein. Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte zuvor moniert, dass das ursprüngliche Vorhaben eine "breit angelegte Überwachung und Einschränkung von Kommunikation" im Netz erlaubt hätte.

Mit dem beschlossenen Aus für Roaming-Entgelte bis Ende 2015 will das Parlament bei den Kunden das Vertrauen schaffen, auch auf Reisen in der EU vernetzt zu bleiben, ohne dass ihnen dafür horrende Zusatzgebühren berechnet werden.

Die Bedingungen und Verfahren für die Vergabe von Lizenzen für Funkfrequenzen im Bereich der drahtlosen Breitbandkommunikation sowie die lizenzfreie Funkfrequenznutzung werden einfacher gestaltet. Die Frequenzhoheit der Mitgliedsstaaten soll zwar unangetastet bleiben, doch die EU-Kommission will die Verfügbarkeit, den Zeitpunkt der Zuweisung sowie die Dauer der Nutzungsrechte von Frequenzen EU-weit synchronisieren. Angestrebt wird ein "europäischer Funkraum" für mobile Breitbanddienste. Das Parlament drängt dabei aber darauf, das öffentliche Interesse sowie den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wert der Frequenzen insgesamt zu berücksichtigen.

Sämtliche Frequenznutzungsrechte sollen laut den Abgeordneten für mindestens 25 Jahre gewährt werden. Die Frist müsse auf jeden Fall ausreichen, "um Anreize für Investitionen und Wettbewerb zu schaffen und eine unzureichende Nutzung oder ein 'Horten' von Frequenzen zu vermeiden". Gestrichen hat das Parlament den Vorschlag der Kommission, die Stellung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) zu stärken.

Die Vorteile, die sich aus einem Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation ergeben, sollen der digitalen Welt insgesamt zugute kommen, unter anderem Geräteherstellern, Anbietern von Inhalten und Anwendungen sowie Software und der gesamten Wirtschaft.

Das Bildungswesen, der Bankensektor, die Autoindustrie, der Einzelhandel, der Energiebereich, Medizin oder der Verkehrssektor seien alle auf Netzanbindung und Breitband angewiesen, um ihre Produktivität, ihre Qualität und ihr Angebot für den Endnutzer etwa durch allgegenwärtige Cloud-Anwendungen, eine fortschrittliche Analyse von Big Data aus den Kommunikationsnetzen zu steigern. Ihnen liege daran, Dienstleistungen unter dem Gesichtspunkt einer "offenen und standardisierten Interoperabilität der Systeme und im Rahmen von Open Data" erbringen zu können.

Die Kommission soll bis Mitte 2016 den gesamten Regulierungsrahmen evaluieren. Die Ausführungen zu Spezialdiensten und zur Netzneutralität sind nach dem Willen der Abgeordneten drei Jahre nach Inkrafttreten nach einer öffentlichen Konsultation zu prüfen. (anw)