Kritische Informatiker diskutieren militärische Informatik

Auf der 24. Jahrestagung des "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FIfF) in Aachen haben sich Experten zwei Tage lang zum Thema "Krieg & Frieden - Digital" ausgetauscht.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der 24. Jahrestagung diskutierte das "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FIfF) in Aachen zwei Tage über das Thema Krieg & Frieden - Digital. Neben einem kritischen Blick auf die Rolle der Informatik in modernen Kriegen war auch der Widerstand gegen die zunehmende Überwachung und Militarisierung des Alltags Thema der Konferenz.

Den Auftakt von Krieg & Frieden machte ein Referat des Physikers Jürgen Altmann, der in Bochum Verifikationsforschung betreibt, die mit Sensoren die internationalen Abrüstungsbemühungen überprüft. Altmann schlug einen großen Bogen von den ersten Computern, die mit ballistischen Berechnungen zum Ende des zweiten Weltkriegs eingesetzt wurden, bis zu den autonomen Robotern, die unlängst auf der ELROB 2008 ihre Kampftauglichkeit unter Beweis stellen sollten.

Altmann betonte, dass der netzwerkzentrierte Krieg mit fortgeschrittener Sensorik und sich selbst synchronisierenden Kampfeinheiten mehr denn je von der Informatik abhängig ist. Allein das Future Combat System in den USA mit 95 Millionen Codezeilen sei eine einzige große Baustelle, die 2013 in den Wirkbetrieb gehen soll, ohne zuvor getestet worden zu sein. Gegen Supertechnik setzten die Gegner auf MANPADS (Man-Portable Air Defence System) und davon abgeleitet auf Childpads, nur 3 Kilogramm schwere Waffensysteme. Die größte Gefahr sieht Altmann in der Nanotechnik und dem Einsatz kleinster Drohnensysteme und hält darum ein Rüstungsverbot für bewegliche Systeme kleiner als 0,5 Meter für notwendig.

Der Aachener Politologe Ralph Rotte beschäftigte sich mit der Rolle des Cyberwars und dem Problem, dass Kriegsführungen dieser Art immer abgestritten werden und sehr schwer beweisbar sind. Er kritisierte die zunehmende Digitalisierung der Militärtechnik als Entpolitisierung, weil der Glaube an die Überlegenheit der Technik zunehmend die Strategie inklusive der Rückzugsplanung ersetze.

Christoph Kullenberg von der Abteilung Resistance Studies der Universität Göteborg zeigte, wie panoptische und panspektrische Technologien in den Alltag eindringen und Sicherheit durch Überwachung zu erzeugen versuchen. Am Beispiel des schwedischen Echelons, das die vom kalten Krieg abstammende Försvarets Radioanstalt (FRA) aufbaut, zeigte er auch, dass breiter Widerstand in der Bevölkerung aktivierbar ist. Die positiven Aspekte der Digitaltechnik bis hin zu den Errungenschaften des Web 2.0 stellten die Hamburger Journalisten Ilona Koglin und Mark Rohde von Für eine bessere Welt vor. Mit technisch einfachen Lösungen wie FrontlineSMS oder GlobalVoices könne internationaler Gegendruck erzeugt werden.

Ein Referat des Berliner Militärberaters und Terrorismusexperten Berndt Thamm beschäftigte sich mit der Rolle, die das Internet für al-Qaida spielt. Thamm differenzierte zwischen dem Wachstum dschihadistischer Websites von 12 im Jahr 1998 auf 5800 im Jahr 2007 und der Nutzung des Internets durch den harten Kern des Dschihad. Während die Websites für Propaganda, Spendensammlung und Rekrutierung von Anhängern wichtig seien, spiele es für die eigentlichen Kämpfer keine große Rolle. Für sie sei das Internet nur Mittel zum Zweck, IEDs (Inexpensive Explosive Devices, auch Selbstmordattentäter genannt) an ihren Einsatzort zu führen.

An die Serie der Vorträge, in denen auch der Einfluss von Science-Fiction-Filmen auf den Bau von Militärrobotern thematisiert wurde, schlossen sich eine Reihe von Arbeitsgruppen an. Hier beschäftigte man sich zum Beispiel mit dem Aufbau eines interaktiven Rüstungsatlasses oder der Arbeit von Informatikern in Rüstungskonzernen. (Detlef Borchers) / (pmz)