Open-Access-Streit - zweiter Akt

Nach den Heidelberger Appellanten wendet sich das Aktionsbündnis Urheberrecht an die Bundeskanzlerin. Es appelliert zudem an Wissenschaftler, sich bei Publikationsfreiheit und Wahrung der Urheberrechte nicht von der Wirtschaft vertreten zu lassen.

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Von
  • Richard Sietmann

Als Reaktion auf die von dem Heidelberger Philologen Roland Reuß gestartete Inititiave "Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte" kritisiert das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" die "verantwortungslose Kampagne" gegen den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Es hat sich nun ebenfalls an die Bundeskanzlerin gewandt, damit die sogenannte Heidelberger Erklärung "nicht weiteren politischen Schaden für Bildung und Wissenschaft anrichtet". In diesem Zusammenhang verweist das Bündnis auf die Koalitionsvereinbarung, in der die Regierungsparteien sich die Schaffung eines wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts zum Ziel gesetzt hatten. "Das ist bislang leider nicht erreicht", bedauert der Sprecher des Aktionsbündnisses, der Informationswissenschaftler Professor Rainer Kuhlen von der Universität Konstanz.

Der ungehinderte Zugang zur publizierten Literatur sei für alle Wissenschaftler, Lehrende und Auszubildende "unabdingbar". Das Aktionsbündnis unterstütze daher alle Anstrengungen, Open Access zum einen mit dem Urheberrecht, zum anderen mit den Publikationsmodellen der Verlagswirtschaft kompatibel zu machen. Das Recht der Urheber in Bildung und Wissenschaft, zur Publikation ihrer Werke Verträge mit Verlagen abzuschließen, werde überhaupt nicht bezweifelt, jedoch sei "die exklusive kommerzielle Verfügung" über das mit öffentlichen Mitteln produzierte Wissen "nicht länger hinzunehmen". Deshalb sollten anstelle exklusiver nur einfache Nutzungsrechte übertragen werden, wodurch die Möglichkeit zur elektronischen Zweitveröffentlichung erhalten bliebe.

"Wenn die Verlagswirtschaft durch die parallele Open-Access-Bereitstellung kein kommerzielles Betätigungsfeld mehr erkennen sollte", heisst es in der Stellungnahme, "dann müssen Bildung und Wissenschaft, zum Beispiel zusammen mit den Bibliotheken und den wissenschaftlichen Gesellschaften, die Aufgabe der öffentlichen Bereitstellung des mit öffentlichen Mitteln produzierten Wissens selber übernehmen".

Den Initiatoren der Kampagne wirft das Bündnis "ein rückwärts gerichtetes und pur individualistisches Verständnis von Freiheit und Rechten" vor, das an "den rechts-konservativen Bund Freiheit der Wissenschaft aus den 70er-Jahren" erinnere. Das Beharren auf Rechten, "die heute eher die Rechte der Verwerter als die der Autoren sind", sei für Bildung und Wissenschaft kontraproduktiv. Deshalb appelliert das Bündnis an die Wissenschaftler in allen Disziplinen, sich in Fragen der Publikationsfreiheit und der Wahrung der Urheberrechte nicht von der Wirtschaft vertreten zu lassen.

In den USA ist die Diskussion über den freien Zugang zu Forschungsergebnissen offenbar schon etwas weiter. Vor einem Monat beschlossen die Hochschullehrer des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston einstimmig Open-Access-Regeln, wonach sie dem MIT die nicht-exklusive Erlaubnis zur nicht-kommerziellen Verbreitung ihrer Fachaufsätze über die Open-Source-Plattform DSpace gewähren. Ausnahmen sind möglich, aber die Autoren müssen ihr 'Opt-out' im Einzelfall begründen. DSpace wurde von den MIT Libraries gemeinsam mit Hewlett Packard entwickelt und dient zugleich als Archivsystem.

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(Richard Sietmann) / (jk)