Drogenbeauftragte warnt vor "pathologischem Internetgebrauch"

Noch gibt es keine wissenschaftlich fundierten Zahlen zur Onlinesucht. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sieht aber bei der Vorstellung ihres Jahresberichts für die Politik die Notwendigkeit, sich auf "neue Süchte" einzustellen.

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Die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing sprach bei der Vorstellung ihres Jahresberichts von einer "neuen Suchtbedrohung aus den virtuellen Welten".

Immer weniger Jugendliche rauchen, aber das "Komasaufen" bleibt ein ernstes Problem, fasst eine Mitteilung der Bundesregierung den jüngsten Drogenbericht (PDF-Datei) zusammen. Von "Komasurfen" ist darin zwar nicht die Rede, doch sieht die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing eine "neue Suchtbedrohung aus den virtuellen Welten". Etwa 3 bis 7 Prozent der Internetnutzer gälten als "onlinesüchtig", ebensoviele als stark suchtgefährdet. Die "Onlinesüchtigen" verbrächten im Extremfall 10 bis 18 Stunden am Tag mit Computerspielen, vernachlässigten ihre Umwelt und verlören ihre sozialen Kontakte. Auch der übermäßige Konsum sexueller Inhalte und Chats stünden bei den Süchtigen im Blickpunkt.

Bei diesen Zahlen bezieht sich die Drogenbeauftrage auf "verschiedene Studien". Die Onlinesucht oder der pathologische Internetgebrauch seien noch nicht ausreichend wissenschaftlich durchleuchtet, weshalb sie international noch nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt seien und noch keine Statistiken zur Häufigkeit in der Bevölkerung existierten. Doch habe im vergangenen Jahr das Thema Onlinesucht in Deutschland an Relevanz gewonnen. Dabei verweist die Drogenbeauftragte auf die erste "Ambulanz für Spielsucht", die vor rund einem Jahr an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ihre Arbeit aufnahm. Im April 2008 beschäftigte sich eine Expertenanhörung im Bundestag mit dem Thema. Die Sachverständigten haben dabei das Forschungsdefizit kritisiert.

Um den bisherigen Forschungs- und Behandlungsstand zu ermitteln, hat das Bundesgesundheitsministerium beim Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) eine Studie in Auftrag gegeben. Das Gesamtergebnis der Studie, für die unter anderem im Herbst 2008 130 Behandlungseinrichtungen befragt wurden, soll nächstes Jahr vorliegen.

Unterdessen wirft der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer Online-Videoportalen wie YouTube und MyVideo vor, Videos zu verbreiten, in denen Jugendliche oder junge Erwachsene exzessiv Alkohol tränken. Gegenüber dem Fernsehmagazin "Report Mainz" sagte Pfeiffer: "Ich halte diese Videos für hoch jugendgefährdend." Ihre positive Stimmung verführe dazu, mitmachen zu wollen bei dem, was andere erlebt hätten, und alle Bedenken hintanzustellen. Das Fernsehmagazin hatte nach eigenen Angaben zahlreiche Internetseiten rund um den exzessiven Alkoholkonsum gefunden, die für Jugendliche frei zugänglich sind. YouTube erklärte laut dem Bericht, die Videos würden von geschulten Mitarbeitern geprüft und gegebenenfalls entfernt. Die Betreiber von MyVideo hätten die Wirkung der Videos auf Jugendliche in Zweifel gezogen. (anw)