Der "vernetzte Präsident": Wie Obama das Volk einbeziehen will

Die Idee eines "vernetzten Weißen Hauses" schwirrt durch viele Überlegungen: ein Präsident, der im regen Kontakt mit dem Volk steht, deren Meinung hört und im besten Fall sogar in Entscheidungen einfließen lässt. Obama könnte daraus Kapital schlagen.

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Von
  • Johannes Jolmes
  • dpa

Barack Obama sucht Mitarbeiter. Online. Die Bewerbung für einen Job im Weißen Haus ist fast so einfach wie eine Buchbestellung im Internet. Adresse, Schulabschluss und berufliche Stärken eintragen und abschicken. Kurz nach dem Wahlsieg am 4. November startete das Team des ersten schwarzen Präsidenten bereits die Webseite change.gov: Obama hält dort seine Anhänger über den Amtswechsel mit Blog-Einträgen auf dem Laufenden, und jeder kann sich um einen Job bei Obama bewerben. Rund 150.000 Amerikaner haben das nach Medienberichten bereits getan.

Der Obama-Wahlkampf und das Netz – das war eine Erfolgsgeschichte, die der Demokrat auch nach seinem Wahlsieg fortschreiben will. US-Medien stellen Obama bereits in eine Reihe mit ehemaligen US-Präsidenten, die die Medien ihrer Zeit für sich nutzten: Franklin D. Roosevelt – der Radio-Präsident, John F. Kennedy – der TV-Präsident und Barack Obama – der "vernetzte Präsident". "Obama ist der erste Präsident, der sich (...) mit vielen Millionen Menschen verbunden hat", sagt der demokratische Internet-Experte Joe Trippi laut der Washington Post. Obamas E-Mail Datenbank ließ die republikanischen Rivalen im Wahlkampf neidisch werden: Mehr als zehn Millionen Menschen sind in die Liste eingetragen, rund 3,1 Millionen davon haben für die Obama-Kampagne gespendet. Und Obama pflegt seine Kontakte: Bevor er nach seinem deutlichen Sieg am 4. November zu seinen Hunderttausenden Anhängern in Chicago gesprochen hatte, schickte er eine E-Mail herum. "Das ist alles nur wegen Euch geschehen", lobte er seine Unterstützer. "Danke schön, Euer Barack."

"Was wird aus dem virtuellen Netzwerk nach der Wahl?", fragt das Online-Magazin Slate. "Du kannst die Verbindungen nicht einfach kappen", meint Internet-Experte Peter Daou. Alle Unterstützter hätten an dem erfolgreichen Ziel mitgearbeitet, dass "kann man nicht so einfach beenden", sagte er der Washington Post. Der beste Weg sei, die Massen am Gesetzgebungsprozess zu beteiligen, glauben Experten. Die Zukunft sieht laut Slate so aus, dass Obama im Internet seine Steuer- oder Gesundheitspläne sozusagen zur Abstimmung stellt und ein Meinungsbild einholt. So bleibe er mit den virtuellen Massen in Verbindung, sagt Experte Trippi. Noch ist das Konzept nicht spruchreif, aber: 95 Mitarbeiter pflegten während des Wahlkampfs Obamas virtuelle Auftritte, und die neue Internet-Präsentation des Weißen Hauses werde "wesentlich ambitionierter", sagen seine Berater. Erste Neuerungen hat Obama bereits durchgesetzt: Die wöchentliche Radioansprache des Präsidenten wird in seiner Amtszeit nicht nur über den Äther zu empfangen sein, sondern auch als Video auf dem Portal YouTube.

Die Idee eines "vernetzten Weißen Hauses" schwirrt durch die Köpfe vieler Internet-Vordenker: ein Präsident, der im regen Kontakt mit dem Volk steht, deren Meinung hört und im besten Fall sogar in Entscheidungen einfließen lässt. Obama könnte laut Experte Trippi daraus Kapital schlagen: Wenn der Kongress einen Gesetzesvorstoß von ihm ablehne, dann stimme er nicht nur gegen den Präsidenten, sondern auch gegen dessen virtuelle Unterstützer im Netz. Allerdings gibt es auch kritische Töne. "Was passiert, wenn konservative Wähler sich zusammentun und die Internet-Instrumente gegen Obama anwenden?", fragt Farhad Manjoo im Magazin Slate. Das Meinungsbild könnte verzerrt werden, befürchtet er. Und wo ist die Grenze für Online-Beteiligung: Würde Obama etwa auch die Meinung zur Besetzung wichtiger Kabinettsposten oder zu militärischen Aktionen einholen?

Eine Internet-Nagelprobe hat Obama bereits im Sommer bestanden. Da hatte der Demokrat bekanntgegeben, dass er trotz vorheriger Zusagen nicht auf die begrenzte staatliche Wahlkampffinanzierung setzen werde, sondern auf private Spenden. Im Netz baute sich Protest gegen den Wortbruch auf. Obamas Reaktion: Er ließ den Beschwerden freien Lauf und schickte dann eine Erklärung heraus. Der Widerstand ebbte ab.

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(Johannes Jolmes, dpa) / (jk)