Seltene Erden: Streit über Chinas Marktmacht geht in neue Runde

China dominiert fast die gesamte Weltproduktion der Seltenen Erden. In das Ringen mit Peking kommt Bewegung. Westliche Firmen setzen auf Alternativen und andere Förderquellen. Das lässt die Preise fallen.

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Von
  • Stephan Scheuer
  • dpa
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Seltene Erden sind ein kostbarer Rohstoff für die weltweite Hightech-Industrie. Es sind Elemente wie Yttrium, Samarium und Europium. Sie stecken in Computerchips, Elektromotoren, Windkraftanlagen oder Smartphones. Aber um die Spezialmetalle tobt seit Jahren ein erbitterter Streit. Mehr als 90 Prozent von ihnen werden in China gefördert. Das Land schränkt jedoch die Exporte ein, auf die auch Firmen aus Deutschland angewiesen sind.

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(Bild: bgr.bund.de)

Die EU, die USA und Japan haben in dem Handelskonflikt zwar schon einen Etappensieg errungen. Das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) verurteilte Chinas Exportbeschränkungen für Seltene Erden im März als Verstoß gegen die Regeln des freien Welthandels. Aber das Problem ist damit noch lange nicht gelöst. "Die Auswirkungen des WTO-Urteils sind gering", sagt Jost Wübbeke vom Mercator Institut für China-Studien (MERICS).

Denn die Entscheidung greift nicht sofort. China kann in Berufung gehen. Und mit einer Übergangsfrist könnte Peking noch ein Jahr Zeit haben, bevor die Exportschranken fallen müssen, erklärt Wübbeke. "Ob China das Urteil des Schiedsgerichts umsetzen wird, ist ungewiss", sagt der Analyst der dpa.

Die Volksrepublik braucht für ihre Industrie viele Seltene Erden. Aber gleichzeitig will Peking die heimischen Rohstoffvorkommen nicht zu schnell ausbeuten und die Umwelt mit der schädlichen Förderung und Verarbeitung nicht zu stark belasten. Deswegen wird die Förderung drastisch gedrosselt. Es ist laut Wübbeke nicht klar, ob und wie stark China weiter den Weltmarkt beliefern wird.

Trotzdem fallen die Preise. Denn viele Firmen haben sich mittlerweile nach Alternativen zu den Hightech-Metallen umgeschaut. "Ausländische Verbraucher verwenden zunehmend alternative Rohstoffe und reduzieren den Einsatz Seltener Erden", sagt Wübbeke. Außerdem habe die Weltwirtschaftskrise die Nachfrage gedämpft. Und trotz aller Beschränkungen der Zentralregierung in Peking setzten sich viele kleine Produzenten über die Vorgaben hinweg und drückten die Preise.

Abbaustellen, Lagerstätten und Vorkommen mit einem erhöhten Anteil (> 15 %) von schweren Seltenen Erden.

(Bild: bgr.bund.de)

"China ist sicherlich damit gescheitert, den Preis für Seltene Erden langfristig auf einem hohen Niveau zu halten", meint Wübbeke. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele der begehrten Metalle wie hier. "Dennoch verfügen auch andere Länder wie die USA und Russland über sehr große Vorkommen, die den eigenen Bedarf sehr leicht bedienen könnten."

Zudem konnten Hightech-Firmen in Japan, Europa und den USA für manche Produkte Alternativen für die Seltenen Erden finden und die Metalle besser recyceln. "Aber diese Strategien haben auch ihre Grenzen, denn in vielerlei Technik sind einige Seltenen Erden heute unverzichtbar."

Darüber hinaus ändern sich mit den fallenden Preisen die Kräfteverhältnisse. Im Jahr 2011 hatten die Bezugskosten für einige Seltene Erden ihren Höhepunkt erreicht. Das machte den Abbau auch in schwierigeren Regionen attraktiv.

Im US-Bundesstaat Kalifornien etwa wurde Ende 2010 nach achtjährigem Stopp das Bergwerk "Mountain Pass" wieder eröffnet, in Malaysia werden seit dem vergangenen Jahr Erze aus einem australischen Bergwerk aufbereitet. "Von den einst euphorisch angedachten Kapazitätserweiterungen spricht heute in Kalifornien und Malaysia keiner mehr", teilte jedoch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kürzlich mit.

Die Dominanz Chinas hat historische Gründe. Peking ließ lange Zeit zu sehr geringen Preisen die Hightech-Metalle fördern. Da lohnte sich die Produktion im Rest der Welt kaum noch. Die Industriestaaten hätten den strategischen Wert der Seltenen Erden lange unterschätzt, findet Wübbeke: "Die Verbraucher in den Industrieländern haben sich lange auf den niedrigen chinesischen Preisen ausgeruht."

Als die Preise vor drei Jahren dann in gewaltige Höhen kletterten, wurde eine gewaltige Suche nach den Metallen angestoßen. Mehr als 440 Vorkommen wurden laut BGR daraufhin entdeckt. "Die beiden neuen Bergwerke, die zahlreichen potenziellen Vorkommen und die unerwartet starke Substitution haben den Absatzmarkt für Seltene Erden einbrechen lassen", schreibt die Bundesanstalt.

Aber das bricht noch lange nicht die besondere Marktmacht Chinas. Vor allem die Elemente der sogenannten Schweren Seltenen Erden, die für Elektromobilität, Windkraftanlagen und Energiesparlampen wichtig sind, werden bislang nur in China gefördert – und die BGR sieht die "Versorgungslage mit diesen Seltenen Erden noch gefährdet". (anw)