Pro & Contra: Die private Datenmine
Start-ups wollen jeden Einzelnen zum Händler seiner persönlichen Daten machen – anstatt Google oder Facebook den Schatz einfach zu schenken. Endlich gibt es eine Dividende aus den Datengewinnen, argumentiert Jens Lubbadeh. Eine sinnlose Idee, meint dagegen Robert Thielicke.
- Robert Thielicke
- Jens Lubbadeh
Start-ups wollen jeden Einzelnen zum Händler seiner persönlichen Daten machen – anstatt Google oder Facebook den Schatz einfach zu schenken. Endlich gibt es eine Dividende aus den Datengewinnen, argumentiert Jens Lubbadeh. Eine sinnlose Idee, meint dagegen Robert Thielicke.
Pro
Jens Lubbadeh ist Redakteur bei Technology Review.
Googles Produktpalette ist schon beeindruckend. Am Anfang war die Suchmaschine, die uns alles digitalisierte Wissen dieser Welt binnen Sekunden auf Knopfdruck serviert – kostenlos. Dann bekamen wir ein riesiges E-Mail-Postfach – kostenlos. Dann das Officepaket, die Fotoverwaltung, ein Netzlaufwerk, den Routenplaner, Street View, Android, den Play Store... Wieder alles umsonst.
Ja, das Google-Paradies ist herrlich bequem. Aber natürlich zahlen wir dafür einen Preis – nur einen, der uns nicht wehtut, weil er tief in den seitenlangen Bleiwüsten der Nutzungsbedingungen vergraben ist, die wir nie lesen. All die schönen Anwendungen kosten uns unsere Privatsphäre. Denn Google macht alle unsere Daten – was wir suchen, lesen, schreiben, wo wir sind, wen wir anrufen, welche Apps, Bücher und Musik wir kaufen, unser Adressbuch, also mithin unser gesamtes digitales Leben – zu Geld.
In der Regel über Werbung, aber wer weiß, wie noch. So durchsichtig wir für Google sind, so intransparent ist die Datenkrake für uns. Genauso machen das Facebook, Twitter, Tumblr, Amazon, Apple, WhatsApp und all die Apps, die personenbezogene Daten abgreifen. Im Fall von Twitter können wir ahnen, welche Wertschöpfungskette dahintersteht: Die riesigen Tweet-Datenberge verkauft Twitter exklusiv an Datenmakler, die die Big-Data-Berge klein hacken und weiterverkaufen: an Werbetreibende, Banken, Regierungen, Konzerne, Sicherheitsdienste.
Unsere Daten sind Geld wert. Viel Geld, sonst hätte nicht Mark Zuckerberg 19 Milliarden Dollar für 450 Millionen Whatsapp-Nutzer bezahlt. Und wir geben sie einfach so her, im Tausch für mehr oder weniger gute kostenlose Softwaredienste. Oder auch gar nicht mal immer für kostenlose – Apple lässt sich bezahlen, nutzt unsere Daten aber trotzdem. Amazon ebenfalls.
Selbst schuld, mag nun der eine oder andere erwidern. Geiz ist eben doch nicht so geil. Das kann sein. Doch selbst wenn datenbesorgte Nutzer bereit wären, für die Dienste zu bezahlen, um dafür im Gegenzug nicht ausspioniert zu werden – wie sollten kostenpflichtige Angebote in solch einem Marktumfeld überhaupt entstehen können? Gegen Kostenlos-Riesen konkurriert es sich nun mal schlecht. Es gibt noch ein Problem: Der Tausch Daten gegen Software erfolgt nicht auf Augenhöhe. Was wir mit ihren Produkten machen dürfen und was nicht, schreiben uns Google, Apple und Co. genau vor und setzen uns Grenzen. Was sie jedoch mit unseren Daten machen – davon haben wir keine Ahnung und können auch keine Grenzen setzen. Das ist schlecht.
Es gäbe zwei Möglichkeiten, die Augenhöhe wieder her-zustellen: 1) Google und Co. klären uns auf und bezahlen uns eine Datenlizenzgebühr. Oder 2) Google, Facebook und Twitter dürfen unsere Daten nicht nutzen, und wir bezahlen sie stattdessen für ihre Dienste. Variante 2 wäre zugegebenermaßen schwierig. Einmal angewöhnten Komfort geben wir nicht gern wieder auf.
Das Start-up Datacoup macht nun einen Schritt in die richtige Richtung: Es will Usern, die ihm freiwillig den Zugriff zu Daten in ihren sozialen Netzwerken gewähren, Geld bezahlen – acht Euro pro Monat. Das klingt nicht nach viel, aber was ist unser Preis? 40 Dollar? So viel war jeder gekaufte WhatsApp-User Mark Zuckerberg wert.
Acht Euro sind sicher nicht genug, und wahrscheinlich wird der Wert der Daten kĂĽnftig steigen. Die Summe mag eher symbolischen Charakter haben, der VorstoĂź von Datacoup weckt aber ein Bewusstsein fĂĽr unsere Daten, das bei vielen noch nicht vorhanden ist. Und wer weiĂź, vielleicht bekommen wir sie ja doch noch irgendwann, die LizenzgebĂĽhr fĂĽr unsere Daten.