Provider sollen Glücksspiel-Seiten sperren

Das hessische Innenministerium hat fünf große deutsche Zugangsanbieter aufgefordert, im Rahmen einer "freiwilligen Selbstverpflichtung" etwa 25 ausländische Webseiten mit illegalen Lotterien zu blockieren.

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Die Wunschliste nach Sperrungen von Webseiten wird immer größer: Mitten in der von Bundesfamilienminister Ursula von der Leyen (CDU) entfachten und gerade wieder angefeuerten Debatte um die Blockade kinderpornographischer Inhalte im Netz sollen deutsche Internetprovider nun auch Glücksspiel-Seiten von Nutzern hierzulande fernhalten. So trat das hessische Innenministerium vergangene Woche im Rahmen eines "internen Gesprächs" an fünf der größten Zugangsanbieter heran mit der Forderung, eine "freiwillige Selbstverpflichtung" zum Sperren von rund 25 ausländischen Webseiten mit illegalen Lotterien einzugehen. Trotz der Ankündigung von staatlicher Seite, dass dem Appell der Erlass von Sperrungsverfügungen folgen könnte, lehnten die Provider das in vergleichbarer Weise schon einmal an sie herangetragene Anliegen aber allesamt zunächst ab.

"Wenn die Tore erst einmal geöffnet sind, müssen wir bald alles sperren", fürchtet Andreas Maurer, Sprecher der an der trauten Runde beteiligten 1&1 Internet AG. Zumal die geforderte Blockade auf Basis des Domain-Name-Systems (DNS) "technisch unsinnig" sei. Wie der Fall YouPorn gezeigt habe, bei dem sich Arcor zunächst freiwillig am Ausschluss eines Portals mit teils harten pornographischen Inhalten ohne ernsthafter Hürden für Kinder oder Jugendlich übte, würden die Seiten dann rasch umziehen und über andere Wege wieder erreichbar sein. Noch schlimmer wäre eine Sperre anhand einer IP-Adresse. Da 1&1 genauso wie viele andere Webhoster mehrere Netzkennungen auf einem Server im "Shared Hosting"-Verfahren unterbringe, würden "99 Unschuldige mit einem Schuldigen hängen". Ähnlich sehen dies etwa die Anbieter Deutsche Telekom oder Hansenet.

Hintergrund des Vorstoßes aus Hessen ist der neue Glücksspielstaatsvertrag, der Anfang 2008 in Kraft trat. Damit werden nach einer Übergangszeit von Januar 2009 an praktisch alle nicht-staatlichen Lotterien, Sportwetten und Spiele wie Pokern im Internet unzulässig. Offiziell soll damit das Entstehen von Süchten verhindert werden. Es geht aber auch um die Aufrechterhaltung und Durchsetzung des lukrativen staatlichen Lotterie-Monopols. Hessen führt die Glücksspielaufsicht für die Länder durch und hat sich bei seiner Sperrinitiative zum Ausschluss unliebsamer Konkurrenz technisch unter anderem von der staatlichen Einrichtung "Lotto Bayern" beraten lassen.

Marita Strasser, Sprecherin des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, unterstützt die großen Anbieter in ihrem Nein zu dem Unterfangen. "Wir haben immer wieder betont, dass Blocking die Inhalte nicht aus dem Internet entfernt und auch nicht unerreichbar macht", bringt sie gegenüber heise online prinzipielle Bedenken gegen die immer wieder auflebenden Vorstöße zu Websperren vor. "Wenn man einmal damit anfängt, stehen alle auf der Matte". Die Provider könnten sich dann von Blockadeforderungen durch Jugendschützer, Rechteinhaber oder einzelne Nutzer bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder bei der Auseinandersetzung über Persönlichkeitsrechte nicht mehr retten. Dies würde zu Einschränkungen der technischen Funktionsfähigkeit des Internet führen.

Gerade hybride Sperren in einem Mix aus DNS-Blockaden und Einbezug einzelner IP-Adressen, bei denen die Anbieter noch einzelne Serien von Angeboten auf Erreichbarkeit prüfen müssten, erfordern laut Strasser hohe Rechenleistung und entsprechende Technik. Folge wäre auf jeden Fall zumindest eine spürbare Verlangsamung des Netzverkehrs. Darüber hinaus kämen die Provider aber auch rechtlich in die Bredouille. Ungeklärt seien etwa die Haftungsrisiken, mit denen sie bei "Kollateralschäden" durch die Sperren unweigerlich konfrontiert wären. Bei einer gesetzlichen Verpflichtung wiederum könnten Sanktionen drohen, wenn die Blockade erwartungsgemäß nicht recht funktioniere. Generell würden die Zugangsanbieter für Probleme in Anspruch genommen, für die sie als reine Zwischeninstanzen nicht verantwortlich seien. Es fehle insgesamt an einem rechtsstaatlichen Verfahren, was die von eco und Medienexperten kritisierten Sperrinitiativen bei Kinderpornographie genauso betreffe wie die noch weniger moralisch besonders begründeten Versuche zur Durchsetzung des staatlichen Glücksspielmonopols mit Hilfe der Provider.

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(Stefan Krempl) / (jk)