Drohnen gegen Wilderer: "Bis Montag gibt es Tote"

Drohnen und heuristische Modelle sollen Parkwächter im Kampf gegen Wilderer unterstützen. Seit Freitag sind sie erstmals im Krüger-Nationalpark in Südafrika im Einsatz.

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Der nächste Einsatz von Professor Thomas Snitch ist in Botswana geplant: "Das wird harte Arbeit mit Tigern."

(Bild: UMIACS)

"Nachtflüge mit Drohnen werden Freitagabend im Krüger-Nationalpark an der Grenze zu Mosambik beginnen", eröffnete Thomas Snitch seine Präsentation am Mittwoch auf der Drohnenmesse Unmanned Systems in Florida, "Wahrscheinlich haben wir bis Montagmorgen ein paar tote Wilderer." Ein Teil des Publikums applaudierte. Die Drohnen sind nicht bewaffnet, aber Wilderer und Parkwächter sind es. Auf Nachfrage einer Journalistin, ob er wirklich tote Wilderer meinte, versicherte Snitch: "Ja. Es ist ein guter Tag!"

Der Amerikaner ist Professor für Advanced Computer Studies an der Universität von Maryland und kämpft seit Jahren für die Rettung bedrohter Tierarten. Dabei ginge es ihm eigentlich um die Menschen, führte er aus. Denn die wilden Tiere lockten Touristen, was alleine in Südafrika 15 Millionen Arbeitsplätze bedeute. Indirekt seien damit mindestens 45 Millionen südafrikanische Familien vom Überleben der Nashörner, Elefanten und anderer bedrohter Arten abhängig.

Hauptwaffe von Snitchs Team sind heuristische mathematische Modelle. Zunächst nehmen seine Studenten Satellitenbilder und fertigen fein aufgelöste 3D-Modelle der Region an. Darüber kommen 70 Lagen georeferenzierter Daten, über Wilderei-Vorfälle, Bewegungen von Touristenfahrzeugen, Mondphase, Wetter und so fort. Daraus werden dann Modelle erstellt, die abhängig von den Wanderungen der jeweiligen Tierart Einsatzpläne für Parkwächter und Drohnen ausrechnen. Snitch rechnet damit, dass die Wilderer ihr Verhalten ändern. Doch die heuristischen Modelle sollen sich automatisch angleichen.

2013 wurden alleine in Südafrika über 1.000 Nashörner getötet.

(Bild: Esculapio / cc by-sa 3.0)

Das größte Hindernis seien Bürokratie, Korruption und fehlendes Vertrauen. Jahrelang müsse er in jedem afrikanischen Land für eine Erlaubnis zum Einsatz von Flugdrohnen kämpfen. Die Regierungen vermuten oft Spionage.

Am Dienstag aber erhielt er frohe Kunde aus Kenia: Ab 1. Juni dürfen in einem privaten Park im Norden des Landes Drohnen fliegen. In diesem und einem benachbarten Areal leben insgesamt 190 Nashörner. Jedes Monat werden zwei bis drei gewildert. Die lokalen Wilderer bekommen für ein Horn ein paar hundert Dollar; in Vietnam wird daraus eine halbe Million.

Die Parkwächter glaubten in der Regel, dass die Attacken der Wilderer zufällig über ihr Gebiet verstreut seien. Das hat sich als falsch und als enorme Ressourcenvergeudung entpuppt. Im Krüger Nationalpark beispielsweise gibt es 72 Parkwächter, die 3.000 Nashörner entlang der 440 Kilometer langen Grenze zu Mosambik schützen sollen. Wenn sie nach dem Prinzip Zufall vorgehen, sind ihre Erfolgschancen gering. "Ich kann Ihnen sagen, dass 90 Prozent der Wilderei zwischen 18 und 20:30 Uhr erfolgt, innerhalb von 161 Metern Entfernung zu einer befestigten Straße", weiß Snitch.

In einem aus Sicherheitsgründen nicht genannten Gebiet in Südafrika ist sein System bereits seit einem Jahr im Einsatz. Den Angaben zu Folge ging dort die Nashorn-Wilderei von neun pro Monat auf Null zurück. Und auch Parkwächter sind seither nicht mehr ums Leben gekommen. Die Wilderer meiden das Gebiet; und durch die Drohnen wissen die Parkwächter auch, wo sie um Löwen und Elefanten einen Bogen machen müssen.

Die angekündigten toten Wilderer sind das voraussichtliche Ergebnis der verbesserten Patrouillen. "Die Wilderer erhalten (bei einer Konfrontation) jede Chance der Welt, ihre Waffen niederzulegen", betonte Snitch. Davon machten sie aber praktisch nie Gebrauch, weshalb es zu Feuergefechten kommen werde.

Seine Projekte gehen auf eine Arbeit für die US-Streitkräfte in Afghanistan zurück. Für diese errechnete er besonders wahrscheinliche Orte für Sprengfallen. Dann wollten die Militärkommandanten ein mathematisches Modell um die wahrscheinlichen Herstellungsorte dieser Bomben zu finden. Die dabei gemachten Erfahrungen übertrug Snitch nach Afrika: "Nashörner verhalten sich zu amerikanischen Soldaten so wie Wilderer zu Terroristen", sagte der Amerikaner plakativ.

Er bedauert aber, nicht so gute Flugdrohnen zu haben wie die US-Militärs. Da seine Drohnen aber in der Nacht fliegen, seien sie kein Ziel für die gut bewaffneten Wilderer. "In der Nacht sieht man die Drohnen nicht. Und man hört sie nicht."

Inzwischen werden die Rechenmodelle auch gegen illegales Fischen vor der Küste Madagaskars eingesetzt, und Mikronesien ist ebenfalls interessiert. Immer mehr Regierungsorganisationen stellen Anfragen: Gegen illegale Rodungen, illegale Grenzübertritte, Schmuggel, Waffenschieberei et cetera.

Anders die Lage in Tansania: "Dort gibt es einen der schlimmsten Herde der Wilderei. Wir haben es drei Jahre lang probiert. Wir haben ersucht, gebettelt, beim Präsidenten, beim Vizepräsidenten ..." Doch vergeblich. Auch das Wort des US-Präsidenten half nichts. Tansania erteilte keine Genehmigung. Snitch glaubt, dass das etwas mit dem hohen Schwarzmarktwert des Elfenbein zu tun hat. "Die Herausforderung ist der politische Wille. Niemand kann uns das Fliegen in Tansania ermöglichen, außer der Präsident. Oder der Vizepräsident."

Einige reiche Amerikaner hätten Drohnenfliegen zwecks Tierschutz in Afrika zu ihrem Hobby auserkoren, was der Professor sehr kritisch sieht. "Sie schmuggeln Drohnen aus dem Bastlerladen in Golftaschen ins Land und fliegen dann in der Nacht damit herum. Dabei können sie von wilden Tieren getötet werden. Oder von Wilderern mit deren AK-47. Oder von Parkwächtern, die nichts von dem 'Einsatz' wissen. Im besten Fall landen sie zehn Jahre in einem afrikanischen Gefängnis, wegen Schmuggels."

Drohnen machen auch dem Biologen und Umweltschützer Randall Arauz aus Costa Rica Hoffnung. "Im September habe ich zum ersten Mal eine Drohne gesehen. Für mich ist das neu", gab er auf der Fachmesse freimütig zu. Er setzt sich vor allem für Schildkröten, Haie und andere Meerestiere ein. Arauz berichtete von der jahrelangen Arbeit der von ihm gegründeten Organisation Pretoma. "Zunächst haben wir mit der lokalen Bevölkerungen gearbeitet, damit sie die Schildkröteneier nicht essen. Sie brauchen das Eiweiß nicht und es hat auch keine Tradition. In der Folge kamen Touristen, der Schildkröten wegen."

Aber: "Der [rücksichtslose] Fischfang tötet die Schildkröten und sie werden am Strand angeschwemmt. Das entmutigt die Leute. Also haben wir dafür lobbyiert, dass Meeresschutzgebiete erlassen werden." Mit Erfolg, doch die Fischer ignorierten die Gesetze. Und die Küstenwache konzentriere sich auf den Krieg gegen Drogen. "Wir haben dann selbst kleine Boote mit GPS eingesetzt, um die Fischer vor Gericht zu bringen. Aber damit konnten wir nur eine Meile hinausfahren."

Die unbewohnte Kokos-Insel hat es Arauz besonders angetan. "Das Gebiet ist geschützt, aber das wird immer ignoriert", klagt er. Die Gesetze werden nicht durchgesetzt. Die Insel hat keinen Flughafen und die Anreise per Schiff dauere 13 Stunden. Und Patrouillenschiffe sind aus der Ferne zu sehen, sodass die Fischer ihre Leinen kappen und Ausreden finden.

Denn die Beweisregeln vor Gericht erforderten, dass die Fischer auf frischer Tat ertappt werden. "In der gesamten Geschichte Costa Ricas sind erst drei illegale Fischer vor Gericht gestellt worden", klagt der Umweltschützer. Die illegale Fischerei schade nicht nur dem Fischbestand, sondern auch der Wirtschaft. "Ein Hai bringt dem Fischer 200 Dollar. In zehn Jahren bringt ein Hai aber 250.000 Dollar an Tauchgebühren (von Touristen)", nannte er Geldbeträge.

"Mit einer Drohne könnten wir die illegalen Fischer für eine Stunde filmen. Dann haben sie keine Ausrede", so Arauz, "Wir würden liebend gern diese Drohen dort hinbringen und die Gerichte mit Klagen fluten. Ich bin sehr optimistisch!" Der neue Umweltminister habe seine politische Unterstützung signalisiert. "Doch [Drohnen] sind neu. Niemand ist vorher mit so einer Idee an die Regierung herangetreten."

Was sowohl Arauz als auch Snitch fehlt, ist das liebe Geld. "Wenn wir einen Geldgeber finden, der das Flugticket eines Studenten nach Afrika bezahlt, ist das schon das Maximum", berichtete der Professor. Eine ausreichend robuste Drohne koste aber 25.000 Dollar ... (vza)