Navi für Drinnen

Wer sich in Einkaufszentren oder Flughäfen verirrt, dem können Smartphones kaum weiterhelfen. Neue Techniken versprechen nun metergenaue Ortung auch in Gebäuden. Aber wollen die Kunden das wirklich?

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Wer sich in Einkaufszentren oder Flughäfen verirrt, dem können Smartphones kaum weiterhelfen. Neue Techniken versprechen nun metergenaue Ortung auch in Gebäuden. Aber wollen die Kunden das wirklich?

Dichte Menschenströme spülen mich in die Ernst-August-Galerie, einem Einkaufszentrum mitten in Hannover. Hinter dem Eingang zücke ich mein Handy und öffne Google Maps. Der kleine blaue Kreis, der meine Position sonst bis auf wenige Meter genau anzeigt, wächst und wächst und wächst, bis er fast den ganzen Häuserblock umfasst. Hier drinnen nutzt mir das Smartphone nichts mehr. Wenn Mauern die Satellitensignale abschirmen, verliert es die Orientierung.

Branchengrößen wie Google, Apple und Cisco sowie Dutzende Start-ups wollen Nutzern helfen, sich in Gebäuden besser zurechtzufinden. Im Gegenzug hoffen sie auf neue Geschäftsmodelle und frische Daten. Seit es Smartphones gibt, träumen Händler davon, Kunden ortsbezogene Werbung („Location Based Services“) zukommen zu lassen. Doch erst jetzt verbreiten sich hinreichend genaue Lokalisierungstechniken. Die Marktforscher von Marketsandmarkets glauben, dass der Umsatz mit Indoor-Navigation bis 2018 jährlich um mehr als 40 Prozent auf 2,6 Milliarden Dollar ansteigen wird.

Doch dazu müssen die Unternehmen vier große Probleme lösen. Nummer eins: die Karten. Obwohl Google bereits seit zwei Jahren Gebäudepläne in seine Landkarten integriert, sind deutschlandweit derzeit erst 51 Objekte erfasst – meist Einkaufszentren. Die Daten stammen direkt von den Gebäudebetreibern. Microsoft bezieht seine Karten von der Nokia-Tochter Here. Die hat nach eigenen Angaben knapp 50000 Gebäude in 45 Ländern erfasst. In Hannover gehört die Ernst-August-Galerie dazu, nicht aber der benachbarte Hauptbahnhof. Dieser ist in aller Detailliertheit bei OpenStreetMap (OSM) zu finden. Als Grundlage dienen abfotografierte Rettungspläne, die in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden aushängen. Von einer flächendeckenden Indoor-Landkarte ist aber auch OSM noch weit entfernt.

Problem Nummer zwei: die Genauigkeit. Zwar können sich Smartphones schon heute ohne Satellitensignale orientieren. Sie überprüfen dann, welche WLAN-Hotspots sie wie stark empfangen und schicken den Fingerabdruck ihrer Funkumgebung an Anbieter wie Google oder Skyhook. Deren Datenbanken ordnen die Fingerabdrücke dann einer Position zu und schicken sie zurück ans Handy.

Doch in Gebäuden kann dieses WLAN-Fingerprinting schon mal einen halben Häuserblock danebenliegen, wie sich in der Ernst-August-Galerie zeigt. Um die Genauigkeit zu erhöhen, muss ein Gebäudebetreiber weitere Hotspots installieren und die Funklandschaft genau erfassen – am besten zu verschiedenen Tageszeiten, denn Menschen oder offene Türen verändern die Ausbreitung der Funkwellen. Konkret bedeutet das: Jemand muss mit einem Smartphone regelmäßig bestimmte Routen durchs Gebäude ablaufen.

Problem Nummer drei: der Datenschutz. Wer seinem Android-Handy die Ortung per Funknetz erlaubt, muss folgenden Hinweis schlucken: „Ermöglicht dem Standortdienst von Google, anonyme Standortdaten zu erfassen. Die Erfassung erfolgt gegebenenfalls auch dann, wenn gerade keine Apps ausgeführt werden.“ Bei Apple, das mit Skyhook zusammenarbeitet, sieht es ähnlich aus. (grh)