Grundrechte-Report 2014: Geheimdienste im Informationskrieg gegen alle

Im neuen "alternativen Verfassungsschutzbericht" werden die Folgen der NSA-Massenüberwachung analysiert. Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beklagt einen Verfall der Achtung vor den Menschenrechten.

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"Im Kernbereich des Grundrechtsschutzes in Deutschland sieht es schlecht aus", konstatierte die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Dienstag zur Präsentation des "Grundrechte-Reports 2014" in Karlsruhe. Dies zeigten die Vorgänge um die NSA-Affäre und den rechtsextremen Terrorverbund NSU. Ein freiheitlicher Rechtsstaat könne es aber "nicht dulden, dass die im Geheimen agierenden Dienste den einzelnen Menschen zum bloßen Objekt ihrer Informationsbegehrlichkeiten entwürdigen".

Im Jahr der Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden bilden der NSA-Skandal und die in diesem Zuge bekannt gewordenen Spionageaktivitäten einen Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des "alternativen Verfassungsschutzberichts". Mitherausgeber Rolf Gössner schreibt in der Einleitung, dass die geheimdienstlichen Datenexzesse alle bisherigen Vorstellungen überträfen und einen "vorauseilenden Gehorsam" bei den Betroffenen förderten. Der Rechtsanwalt, der selbst jahrelang rechtswidrig vom Verfassungsschutz überwacht wurde, spricht von einem "geheimen Informationskrieg" und einem präventiven Ausnahmezustand, in dem demokratische und rechtsstaatliche Regeln praktisch außer Kraft gesetzt würden.

Gössner unterstreicht, dass "dieser Angriff auf Substanz und Selbstverständnis freiheitlicher Demokratien nicht etwa von außen, von 'extremistischen' oder terroristischen Kräften" erfolge. Vielmehr komme er aus dem Inneren des Systems – "wie eine aggressive, überschießende Reaktion des Immunabwehrsystems". Gössner, der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte ist, moniert zudem, dass die Bundesregierung und die Justiz bislang jegliche rechtspolitischen Konsequenzen aus der Affäre und Schutz vor der umfassenden Ausspähung verweigerten.

Insgesamt wird in dem Bericht kritisch die Verfassungswirklichkeit Deutschlands beleuchtet, dabei werden zahlreiche Einschränkungen der Grundrechte durch Gesetzgeber, Verwaltung, Justiz und Unternehmen behandelt. Eingegangen wird etwa auch auf das neue, 340 Millionen Euro teure EU-Grenzüberwachungssystem Eurosur, das als Teil einer zunehmend perfekten Systems gesehen wird, sich gegenüber Flüchtlingen auszugrenzen und abzuschotten.

Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie verwies zur Vorstellung des Berichts darauf, dass sich der Zustand der Verfassungswerte allgemein "gerade am Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft" zeige. Getragen wird das jährliche Projekt unter anderem auch von der Humanistischen Union, dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen sowie der Neuen Richtervereinigung. (anw)