BGH reduziert Haftungsrisiken für Anschlussinhaber bei Filesharing

Nachdem der Bundesgerichtshof bereits 2012 entschieden hatte, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht für Rechtsverletzungen durch Minderjährige haftet, hat er diese Rechtsprechung also noch erheblich ausgeweitet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 105 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Joerg Heidrich

Nach der so genannten Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, deren schriftliche Begründung jetzt vorliegt, haftet der Inhaber eines Netzanschlusses nicht für Filesharing von volljährigen Familienangehörigen. Nachdem der Bundesgerichtshof bereits 2012 entschieden hatte, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht für Rechtsverletzungen durch Minderjährige haftet, hat er diese Rechtsprechung also noch erheblich ausgeweitet (Az. I ZR 169/12). Danach besteht auch für volljährige Familienangehörige keine Haftung, die den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss missbrauchen. Erst wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch bestehen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um diesen zu verhindern.

Kläger des Verfahrens waren vier große deutsche Vertreter der Musikindustrie. Diese hatten Anfang 2007 einen Familienvater abmahnen lassen, über dessen Internetanschluss angeblich 3749 Musikstücke angeboten worden waren. Der Betroffene gab eine Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, die Abmahnkosten in Höhe von rund 3500 Euro zu zahlen. Tatsächlich hatte der Stiefsohn des Betroffenen mit dem Tauschbörsenprogramm BearShare Musik auf seinen Rechner geladen, wie dieser später gegenüber der Polizei einräumte. In den Vorinstanzen hatten das Landgericht sowie das Oberlandesgericht Köln im Grundsatz zugunsten der Musikindustrie entschieden.

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen auf und entschied, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei nicht begründet, da die Abmahnung nicht berechtigt war und der Anschlussinhaber weder als direkter Täter noch als so genannter Störer für die Rechtsverletzungen hafte. Grundsätzlich spreche im vorliegenden Fall keine automatische Vermutung dafür, dass der Beklagte auch Täter der Urheberrechtsverletzung gewesen sei. Insbesondere sei eine "Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet", wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten oder dieser nicht hinreichend gesichert war.

Der Betroffene könne diese Möglichkeit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vor Gericht vorbringen und gegebenenfalls auch Nachforschungen anstellen. Es reiche jedoch aus, wenn der Anschlussinhaber vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und damit als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen könnten.

Der Beklagte hatte seiner Darlegungslast entsprochen, indem er vorgetragen hat, der in seinem Haushalt lebende 20-jährige Sohn seiner Ehefrau habe die Dateien von dem in seinem Zimmer stehenden Computer zum Herunterladen bereitgehalten. Unter diesen Umständen sei es wieder Sache der Vertreter der Musikindustrie als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Dies sei nicht hinreichend gelungen.

Weiterhin hafte der Beklagte auch nicht als Störer wegen von seinem Stiefsohn begangener Urheberrechtsverletzungen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei es dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen, seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Solche Pflichten könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Derartige Hinweise habe es allerdings im vorliegenden Fall für den Beklagten nicht gegeben.

Schließlich stellt der BGH in seiner Entscheidung noch einmal explizit klar, dass diese genannten Grundsätze sowohl für die Überlassung des Internetanschlusses an den Ehepartner als auch an Kinder oder Stiefkinder gelten. Ob und inwieweit diese Grundsätze bei einer Überlassung des Internetanschlusses an andere ihm nahestehende volljährige Personen wie etwa Freunde oder Mitbewohner gelten, lässt der BGH ausdrücklich offen. (anw)