Kernel-Log: Neue Stable-Kernel, AMD-3D-Dokumentation und Mesa 7.3 freigegeben

2.6.27.13 und 2.6.28.2 bringen Fehlerkorrekturen und kleinere Verbesserungen; Diskussionen über Sinn und Unsinn von Linux-Staging; neue Memory Manager für den Kernel; Mesa 7.5 soll Gallium3D mitbringen; neue Intel-Grafiktreiber; Alsa 1.0.19 veröffentlicht

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Nachdem die Kernel-Entwickler in den vergangen zwei Wochen die Stable-Kernel-Versionen 2.6.27.11, 2.6.27.12 und 2.6.28.1 veröffentlichten, legten sie am Wochenende nochmal die Versionen 2.6.27.13 und 2.6.28.2 nach. Alle diese Versionen bringen Korrekturen und kleinere Verbesserungen; darunter auch einen ganzen Satz von IBM-Mitarbeiter Heiko Carstens eingebrachter Patches, die eine als CVE-2009-0029 geführte Sicherheitslücke beseitigen, die nur die Architekturen S390, PowerPC, SPARC64 und MIPS betreffen soll. Torvalds hatte ähnliche Änderungen kurz zuvor in den Hauptentwicklungszweig aufgenommen (u. a. 1, 2, 3).

Im dem gab es in der vergangenen Woche so gut wie keine Änderungen, da Torvalds auf der LCA 2009 war, wo er sich unter anderem mit dem "Linux Tasmanian" beschäftigt hat und sich als Frisör versuchte. Nach dieser einwöchigen Ablenkung hat er in der vergangenen Nacht die Aufnahme von Änderungen für Linux 2.6.29 wieder aufgenommen, sodass in der nächsten Woche dann vermutlich auch 2.6.29-rc3 erscheinen sollte.

Kein Linux 2.8/3.0

In einem im Rahmen der LCA veröffentlichtem Interview stellte der Linux-Vater abermals klar, das er nicht zu einem Entwicklungsmodell mit einer Unstable-Series (Linux 2.3.x, 2.5.x) zurück will. Er sei zufrieden mit dem aktuellen Modell und will die Weiterentwicklung im Rahmen der 2.6-Serie fortsetzen. Er geht in dem Interview auch auf ZFS und Btrfs, Quellcodeverwaltungssysteme, die von ihm genutzte Linux-Distribution sowie Windows 7 ein. Torvalds erwähnt zudem, dass er von KDE auf GNOME umgestiegen sei, weil KDE 4.0 ein Desaster gewesen sei – vor einigen Jahren hatte der Linux-Vater noch harsche Kritik in Richtung des GNOME-Entwickler abgelassen.

Auf der Linux-Kernel Mailing List (LKML) entbrannte indes zwei kurze Diskussion um den Nutzen des mit 2.6.28 in den Hauptentwicklungszweig integrierten Staging-Zweigs. Zuerst stellte sich die Frage, ob auch Dateisysteme in den Staging-Bereich einziehen dürften, wie es Greg Kroah-Hartman derzeit mit DST (Distributed (network) storage) plant. Darum wurde es nach etwas Diskussion mit Andrew Morton und anderen Kernel-Hackern für fast eine Woche wieder still, bis Dave Jones das gleiche Thema in einem eigentlich schon älteren Thread wieder aufgriff. Dort wurde dann das Konzept und die Idee hinter dem Staging-Bereich ganz allgemein kritisiert – selbst Andrew Morton ist sich anscheinend nicht ganz sicher, ob die Aufnahme in den Hauptentwicklungszweig eine gute Idee war.

Einige anderen kürzlich auf der LKML geführte Diskussionen drehten sich um SLQB (1, 2, 3) – einer neuen Infrastruktur zur Speicherverwaltung, der nach dem Willen des Entwicklers Nick Piggin die derzeitigen Memory Manager SLAB und SLUB ersetzen soll. Bei der Aufnahme von letzterem mit Linux 2.6.22 war SLUB eigentlich als SLAB-Nachfolger gedacht gewesen, zeigte dann aber in einigen Benchmarks schlechtere Werte.

SLQB- und SLUB-Entwickler debattieren auf der LKML detailliert über die Unterschiede der beiden neueren Memory Manager – wer es nicht ganz so genau wissen will, findet eine einfacher verständlichere Beschreibung der Unterschiede in einem LWN.net-Artikel zu SLQB. SLQB ist seit kurzem in linux-next enthalten -- die Chancen stehen daher nicht schlecht, dass Linux 2.6.30 SQLB mitbringen wird. Möglicherweise werden dann zwei der drei Speichermanager langfristig entfernt.

Mesa 7.3

Das Mesa-Projekt hat die Version 7.3 der freie OpenGL-Implementierung für Linux und andere Unix-artige Systeme veröffentlicht. Dieser für Entwickler gedachte Version soll zu Mesa 7.4 führen, das dann die derzeit neuste für Anwender gedachte Version 7.2 ablösen soll. Zu den Neuerungen von 7.3 zählen neben Fehlerkorrekturen unter anderem Unterstützung für GEM und DRI im Mesa-Code für Intel-Grafikhardware; zudem implementiert Mesa nun auch die OpenGL Shading Language (GLSL) 1.2.

Im Mesa-Hauptentwicklungszweig wollen die Entwickler nun die Versionen 7.5/7.6 vorbereiten. Dabei wollen sie unter anderem auch das von Tungsten Graphics vorangetriebene Gallium3D aufnehmen, dass Treiber-Entwickler die Arbeit beim Programmierern der 3D-Unterstützung erleichtern soll. Die Betreuer des Grafiktreibers radeon arbeiten bereits an Unterstützung für Gallium3D. Wie aus dem jüngst veröffentlichten "Nouveau Companion 42" hervorgeht beschäftigen sich auch die Entwickler des experimentellen Nvidia-Open-Source-Treibers Nouveau bereits mit Gallium3D.

Rund um X.org

Nachdem die Entwicklung des X-Servers 1.6 um die Jahreswende weitgehend zu Stillstand gekommen schien, hat diese Mitte des Monats mit der Veröffentlichung des ersten Release Candidate (RC) wieder an Fahrt aufgenommen. Direkt danach wurde sie aber wieder etwas ausgebremst, da auch einige wichtige X.org-Entwickler in der vergangen Woche die LCA 2009 besuchten.

Die X.org-Programmierer habe derweil die Entwicklung der Version 2.6.0 der meist kurz "intel" bezeichneten Grafiktreiberpakets xf86-video-intel abgeschlossen und kurz darauf die Version 2.6.1 nachgelegt. Die Webseite zum Treiber listet einige der wichtigsten Neuerungen: Unterstützung HDMI-Audio, das für den X-Server 1.6 vorgesehene DRI2 und den Linux 2.6.28 beiliegenden Graphics Execution Manager (GEM).

Nachdem vor einigen Wochen rudimentäre Code zur Nutzung der 3D-Einheiten von neueren AMD-Chips veröffentlicht wurde hat AMD-Mitarbeiter Alex Deucher nun die Freigabe eines Dokuments bekannt gegeben, das die 3D-Register der R6xx- und R7xx-GPUs näher beschreibt. Das dürfte die Erweiterung der 3D-Infrastruktur inklusive der Grafiktreiber radeon und radeonhd um 3D-Unterstützung für die Radeon-Karten der Serien 1000, 2000, 3000 und 4000 erleichtern.

Kernel-Log-Staccato

  • Bereits Anfang letzte Woche haben die Entwickler des Alsa-Projekts die Version 1.0.19 der wichtigsten Alsa-Komponenten freigeben. Das Changelog listet alle Änderungen seit der Version 1.0.18. Viele der Änderungen an den Alsa-Treibern finden sich bereits im Hauptentwicklungszweig des Kernels und werden damit Bestandteil von Linux 2.6.29 sein.
  • Die Linux-WLAN-Entwickler erwägen, die kürzlich vorgestellte Open-Source-Firmware für die Broadcom-WLAN-Chips 4306, 4311, 4318 und 4320 in den Kernel aufzunehmen; Anwender bräuchten dann nicht mehr die Firmware mit Tools wie b43-fwcutter aus dem Archiven mit den Windows-Treibern herauszuschnippeln.
  • Dave Jones erklärt einige für 2.6.29 aufgenommene Änderungen am Treiber p4-clockmod in seinem Blog. Dabei erklärt er abermals, warum das Throttling von modernen CPUs die Leistungsaufnahme auf den allermeisten Systemen über die Zeit gesehen steigert und nicht senkt, wie es oftmals angenommen wird.
  • Jens Axboe, Verwalter des Block-Layer von Linux, gibt in seinem Blog einen Überblick über in Arbeit befindliche Verbesserungen für die Asynchronous-IO-Unterstützung des Linux-Kernels.
  • Die Entwickler der Linux-WLAN-Treiber und der diese umgebenen Infrastruktur haben einen IRC-Channel aufgemacht.
  • Wie viel E-Mail manche Kernel-Entwickler schreiben zeigt die Auswertung I write too much email von Greg Kroah-Hartman.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich auch in den vorangegangen Ausgaben des Kernel-Logs auf heise open:

Ältere Kernel-Logs finden sich über das Archiv oder die Suchfunktion von heise open. (thl/c't) (thl)