Einblicke in Microsofts Linux- Open-Source- Software-Lab

Inmitten einer Umgebung von Microsoft-Produkten wurde ein Open-Source-Software-Labor aufgebaut, um Open Source besser zu verstehen und die Interoperabilität zwischen Microsoft-Software und der der Open-Source-Community zu verbessern.

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Lesezeit: 27 Min.
Von
  • Bill Hilf
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Vorabdruck aus dem Open Source Jahrbuch 2006. Der Text steht unter der Creative-Commons-Lizenz (Namensnennung - keine Bearbeitung 2.5) und darf unter Nennung des Autors und Beibehaltung der Lizenz in unveränderter Form weitergegeben werden.

Bill Hilf leitet als Platform Technology Strategy Director die Technologieabteilung Linux and Open Source bei Microsoft und ist dort seit Dezember 2005 auch für die Shared-Source-Initiative verantwortlich.

Microsofts Linux-/Open-Source-Software-Labor als ambitionierte Forschungseinrichtung zu bezeichnen, ist schlicht eine Untertreibung. Denn in dem Labor befinden sich über 300 Server der unterschiedlichsten Art und Größe, auf denen insgesamt über 15 Unix-Versionen und mehr als 48 unterschiedliche Linux-Distributionen laufen. Das Forschungsteam besteht aus führenden Linux- und Unix-Programmierern sowie Systemadministratoren. Darunter sind auch einige Entwickler von populären Linux-Distributionen sowie Autoren renommierter Bücher über Unix. Insgesamt ist das Microsoft-Labor weltweit eines der wenigen Labors, die über diese umfassende Ausstattung, Komplexität und das hohe fachliche Niveau verfügen - alles im Namen der Open-Source-Forschung.

Immer, wenn das Thema auf das Linux-/Open-Source-Software-Labor und meine Tätigkeit als Direktor kommt, werde ich gefragt: "Bei Microsoft? Warum beschäftigen Sie sich in einer gemischten Umgebung bei Microsoft mit Linux?" Theorien darüber gibt es im Überdruss - von "Microsoft arbeitet an einer eigenen Linux-Implementierung" bis zu "Microsoft erwägt die Portierung auf Linux". Die Wahrheit ist, dass das Linux-/Open-Source-Software-Labor dem Unternehmen einen tiefen Einblick in die Welt der Open-Source-Software (OSS) ermöglicht und darauf abzielt, dass Microsoft-Produkte besser mit Linux und anderen OSS-Anwendungen zusammenarbeiten.

Entgegen der gängigen Annahme ist Microsoft kein Gegner von OSS. Mit Sicherheit leben die meisten Kunden nicht in einer Entweder-oder-Welt. Vielmehr entscheiden sie sich für die Technologie - für ein Betriebssystem oder eine Anwendung -, die ein bestimmtes Problem löst oder eine spezielle Geschäftsanforderung erfüllt und entscheiden nicht auf Basis eines Entwicklungsmodells.

In unserem Labor laufen sowohl Linux als auch andere OSS in einer Microsoft-Umgebung. Dies ermöglicht uns, zu erforschen, wie diese Technologien besser mit Microsoft-Technologien zusammenarbeiten können, damit für Microsoft-Kunden eine größere Auswahl an interoperabler Software besteht.

Dabei untersuchen wir zum Beispiel, wie die Funktionalität der Management-Tools von Microsoft in heterogenen Umgebungen optimiert werden kann. Verwendet einKunde einen Microsoft Systems Management Server (SMS) oder einen Microsoft Operations Manager (MOM) und möchte einen Linux- oder Unix-Server einsetzen, können wir über Erkenntnisse aus den Tests informieren, die wir über verschiedene Technologien von Drittanbietern durchgeführt haben und die ein bestimmtes Szenario ermöglichen.

Ein weiteres Beispiel für unsere Forschungsaktivitäten besteht in der Arbeit an der Version "Release 2" (R2) des Microsoft Windows Server 2003. Die neue Version enthält verschiedene Technologien, die als Subsystem für Unix-basierte Anwendungen bezeichnet werden können und Services für die Interoperabilität mit Unix- und Linux-Systemen zur Verfügung stellen. Zu diesen Technologien gehören Unix-Network-Services wie Network File Sharing (NFS) und Network Information Service (NIS). Wir haben umfangreiche Tests durchgeführt, um festzustellen, wie gut Windows Server 2003 R2 tatsächlich mit anderen Unix- und Linux-Systemen interagiert. So haben wir beispielsweise unterschiedliche Open-Source-Anwendungen, NFS und NIS in diesem Subsystem eingesetzt, um die Interoperabilität der Anwendungen und Services mit anderen Elementen in der Data-Center-Umgebung zu testen.

"Coopetition" setzt sich zusammen aus den Wörtern cooperation und competition und steht für "konkurrierende Zusammenarbeit."

Das Testen der Interoperabilität von OSS mit Microsoft-Produkten ist eine der Hauptaktivitäten des Labors - aber nicht die einzige. Ein wichtiges Ziel ist unsere Wettbewerbsfähigkeit - die Microsoft-Produkte sollen mit Hilfe tief greifender Erkenntnisse über Linux und Open Source verbessert werden. Wir analysieren, testen und prüfen die Tauglichkeit von OSS mit Microsoft-Produkten und vergleichen unterschiedliche Server-Workloads, Desktop-Szenarien, Virtualisierungs- und Sicherheitstechnologien, Management-Tools oder einfach spezifische Anwendungen, die in vertikalen Industrien eingesetzt werden. Die Daten aus diesen Analysen geben wir an die Produktteams weiter, die unsere Erkenntnisse bei der Planung und Entwicklung berücksichtigen.

Ein aktuelles Beispiel für unsere Forschungsaktivitäten ist das Testen einer "Beta 2"-Version des Microsoft Windows Compute Cluster Server 2003, dessen Verfügbarkeit Microsoft 2005 ankündigte und mit dem Microsoft in den High-Performance-Computing-Markt (HPC-Markt) einsteigt - einem Marktsegment, das größtenteils von Linux bedient wird. Vor der Entwicklung des Produkts informierte sich das Produktteam zunächst beim Linux-/Open-Source-Software-Labor über die bestmögliche HPC-Lösung aus dem Blickwinkel von Open Source.

Da unsere Labormitarbeiter über Expertenkenntnisse im HPC-Bereich verfügen, konnten wir ein umfassendes, geclustertes System entwickeln und die Anwendungen intensiv testen. Anschließend wurden Vergleichstests mit Linux durchgeführt, die Installation abgebaut und dieselben Tests auf einem Windows Compute Cluster Server (CCS) unter Einsatz identischer Hardware und Netzwerkeinrichtungen erneut durchgeführt. Die Ergebnisse aus unseren Tests wurden dem Produktteam weitergeleitet. Damit stehen dem Team Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Linux-HPC-Lösungen zur Verfügung, die dazu beitragen, dass Windows CCS bis zur Auslieferung in diesem Jahr optimiert wird.

Microsoft beherrscht die Kunst der "Coopetition", der "konkurrierenden Zusammenarbeit": Wettbewerb mit Open Source auf der einen und Erhöhung der Interoperabilität auf der anderen Seite. Da in den nächsten Jahren sowohl Microsoft- als auch OSS-Technologien existieren werden, ist es wichtig, dass Microsoft an der Umsetzung beider Ziele arbeitet. Entsprechend spiegeln sich die zentralen Ziele des Linux-/Open-Source-Software-Labors wider.