Ubuntu 6.06 LTS (Dapper Drake) im Test

In weniger als zwei Jahren ist es Ubuntu gelungen, die Landschaft der Linux-Distributionen aufzumischen und viele Fans unter den Linux-Enthusiasten zu gewinnen. Die neue Version soll auch den Unternehmens-Desktop erobern.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Michael Kofler
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Seit dem Erscheinen der ersten Version 4.10 im Oktober 2004 ist Ubuntu der Shooting Star unter den Linux-Distributionen. Das weitgehend in die Tat umgesetzte Motto "it just works", kombiniert mit einer sympathischen Philosophie – Software sollte kostenlos, für jedermann benutzbar und nach Belieben anpassbar sein –, waren die Schlüssel zum Erfolg.

Die Anfang Juni 2006 erscheinende Version Ubuntu 6.06 LTS (Codename Dapper Drake, adretter Erpel) strebt freilich nach Höherem: dem Unternehmenseinsatz. LTS steht für long term support und bedeutet, dass Ubuntu für Desktop-Pakete drei Jahre lang, für Server-Pakete sogar fünf Jahre Sicherheits-Updates liefern wird. Für die bisherigen Ubuntu-Versionen gibt es Updates nur für 18 Monate. Das kommt Firmen entgegen, die wenig Freude mit alljährlichen Neuinstallationen haben. Damit positioniert sich Ubuntu als Gegenspieler zu den Enterprise-Distributionen von Red Hat und Novell, und zwar gleichzeitig im Desktop- und im Server-Segment (siehe Artikel Ubuntu Linux – auf dem Weg ins Unternehmen auf heise open).

Mark Shuttleworth, der das Ubuntu-Projekt initiiert hat und bis heute mit einigen Millionen US-Dollar pro Jahr finanziert, legt die Latte sogar noch höher: Immer wieder präsentierte er Ubuntu 6.06 als Alternative zu Windows Vista. Im Interview mit heise open charakterisierte er die neue Version als "äußerst stabil und zuverlässig und damit sehr geeignet für den Produktiveinsatz" in Unternehmen.

Diese Zielrichtung wird schon an der Betonung der Server-Version deutlich, die gleichzeitig mit dem Desktop erschienen ist. Diese Version bringt zwei speziell konfigurierte Kernel mit, einen für kleinere Rechner und einen für Server mit mehr als acht CPUs. Die Server-Version ohne grafische Oberfläche kommt mit 64 MByte RAM und 500 MByte Plattenplatz aus. Sie verspricht das besonders einfache Aufsetzen eines zertifizierten LAMP-Servers. Canonical Ltd., die Firma von Shuttleworth, bietet für die Distribution wie für das LAMP-System Support ab 700 US-Dollar pro Jahr an. Weitere zertifizierte Software-Stacks mit Support-Angeboten sollen hinzukommen. IBM und MySQL haben den Ubuntu Server bereits für ihre Datenbanken zertifiziert.

Auch für die Desktop-Variante von Ubuntu ist kommerzieller Support verfügbar. Canonical betont, dass man bei einer großen Firmeninstallation für einzelne Systeme Support kaufen kann, ohne für alle Ubuntu-Installationen einen Service-Vertrag abschließen zu müssen. Darin unterscheidet sich Ubuntu von Novells und Red Hats Linux-Distributionen für den Unternehmenseinsatz: Hier sind Kunden verpflichtet, für jede Installation Support zu kaufen.

Über einen neu eingerichteten Mechanismus will man für ISVs die Möglichkeit schaffen, kommerzielle Software für Ubuntu anzubieten. Mit Vmware, Arkeia und einigen anderen Softwareherstellern hat man bereits erste Partner mit im Boot.

Die größte Neuerung von Ubuntu 6.06 zeigt sich gleich bei der Installation: Sie kann nun direkt aus dem Live-System heraus erfolgen. Das grafische Installationsprogramm mit dem merkwürdigen Namen Ubiquity ist zweifellos einfach zu bedienen, aber mit Einschränkungen verbunden:

  • Das Programm setzt voraus, dass das Live-System überhaupt startet; dazu sind mindestens 256 MByte RAM nötig.
  • Der Programmteil zur manuellen Partitionierung der Festplatten ist langsam und unflexibel. Das Einrichten von LVM- oder RAID-Systemen ist unmöglich. Nicht einmal die Installation in eine vorhandene Partition ist möglich, ohne diese vorher zu löschen und dann neu zu erzeugen.
  • Der Bootmanager GRUB wird ohne Konfigurationsmöglichkeit und ohne Rückfrage in den Bootsektor der ersten Festplatte installiert.
  • Wenn das Live-System von einer Ubuntu-DVD läuft, ignoriert der Installer die Pakete zur deutschen Lokalisierung. Damit OpenOffice und Firefox deutsche Menüs anzeigen, muss die DVD nach dem ersten Start als Installationsquelle eingerichtet werden (sudo apt-cdrom add). Erst dann können die fehlenden Sprachpakete unter System|Systemverwaltung|Sprachunterstützung installiert werden.

Partitionierung der Festplatte mit dem neuen Ubuntu-Installer Ubiquity im Live-System

Wer sich nicht vor einigen Dialogen im Textmodus fürchtet, sollte Ubuntu daher mit dem alten Textmodus-Installer einrichten. Dieser befindet sich auf der 'Alternate CD' oder auf der DVD. Die Textmodus-Installation funktioniert neuerdings sogar für externe USB-Festplatten, sofern das BIOS von solchen Festplatten bootet.

Ein installiertes Ubuntu-System unterscheidet sich nur geringfügig von der Vorversion: Der Desktop wurde nochmals poliert und wirkt freundlicher (mehr Orange- als Brauntöne), das Startmenü ist noch aufgeräumter. Die deutsche Lokalisierung ist vollständiger als bisher, wenngleich vereinzelt noch immer englische Menü- und Dialogtexte auftauchen. Der Zugriff auf Windows-Partitionen klappt endlich mühelos – Dapper Drake legt für alle Partitionen Icons auf dem Desktop ab.

Der Ubuntu-Desktop mit Gnome 2.14

An der Software-Grundausstattung hat sich bis auf die üblichen Versionssprünge nichts geändert: Gnome 2.14.2, OpenOffice 2.0.2, Gimp 2.2.11, Firefox 1.5, Evolution 2.6.1, Xorg 7.0 etc. Den neuen 3D-Desktop sucht man vergebens, Experimentierfreudige können jedoch mit wenig Aufwand den Fenstermanager compiz und diverse glx- und xgl-Pakete installieren. Die Inbetriebnahme erfordert allerdings kompatible Hardware und Handarbeit. Detaillierte Tipps gibt es im Ubuntu-Forum. Auch die derzeit so angesagte Virtualisierungslösung Xen ist nicht integriert.

Überraschend konservativ ist Entscheidung für die Kernelversion 2.6.15 – das vor zwei Wochen vorgestellte Suse 10.1 (hier ein erster Test) verwendet bereits den Kernel 2.6.16. Das macht den Preis hoher Stabilität deutlich: Wer absolut up to date sein will und Wert auf die allerneuesten Versionen legt, dürfte von Ubuntu 6.06 enttäuscht sein. Mark Shuttleworth hat aber schon angekündigt, dass die folgende Version Edgy Eft ein Entwickler-Spielplatz für allerneueste Entwicklungen werden soll.

Die neue Freundschaft zwischen Sun und Ubuntu hat (noch) nicht zur Integration von Sun Java geführt. Die Sun-Java-Pakete befinden sich nun aber in der multiverse-Paketquelle und lassen sich wesentlich einfacher als bisher nachinstallieren. Auch Mono und damit die Desktop-Suchmaschine Beagle glänzen nach einer Default-Installation durch Abwesenheit; die nachträgliche Installation gelingt aber ebenso einfach wie bei Java.