Die Woche: Linux für alle!

Auch diese Woche geht es um eine aktuelle Ankündigung mit Potenzial für die Zukunft: Dell will Notebooks und Desktop-Systeme mit vorinstalliertem Ubuntu Linux an Privatkunden liefern.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Als wir Anfang des Jahres die Voraussagen für den Open-Source-Markt in diesem Jahr unter die Lupe nahmen, war uns das Thema Linux auf dem Desktop lediglich eine spöttische Randbemerkung wert: Dieses Jahr müsse Linux endlich einmal nicht den Desktop erobern – wie es in den vergangenen Jahren immer wieder prophezeit wurde, aber nie eingetroffen war.

Jetzt schafft Dell mit seiner Ankündigung, auf einigen Modellen Ubuntu Linux vorzuinstallieren, einfach Tatsachen. Damit ist es auch für Endanwender – wenn auch zunächst nur in den USA – möglich, genauso einfach zu einem Linux-Rechner zu kommen wie zu einer Windows-Maschine. Keine stundenlangen Recherchen mehr, welche Hardware von Linux unterstützt wird; kein Kampf mehr mit störrischen Installationsprogrammen, fehlenden Treibern und all den Widrigkeiten, die den Linux-Einsatz bislang erschwert haben. Einfach einschalten, läuft – wie Windows halt. Wer nicht völlig auf die Optik aus Redmond fixiert ist, wird erst einmal kaum einen Unterschied bemerken.

Stellt sich die Frage: Was verspricht sich Dell davon? Und was Canonical, das Unternehmen hinter Ubuntu? Und was bedeutet das für Linux?

Dell möchte natürlich vor allen Dingen Computer verkaufen. Offenbar erwartet man, mit Linux-Rechnern einen zusätzlichen Markt erschließen zu können – schließlich standen Linux-Notebooks ganz oben auf der Liste der Kundenwünsche, die Dell auf seiner Ideastorm-Seite sammelte.

Aber wer soll eigentlich die Linux-PCs und -Notebooks kaufen? Sicherlich zunächst einmal etliche gestandene Linuxer. Nicht, dass es für die ein Problem wäre, Ubuntu aufzuspielen oder Treiber nachzuinstallieren; oder dass auch nur alle Ubuntu verwenden wollten. Aber wenn Ubuntu auf einem Rechner läuft, bestätigt das die Linux-Kompatibilität der Hardware. Damit dürfte sich auch jede andere Linux-Distribution verwenden lassen. Das Dell-Angebot erspart die mühsame eigene Suche nach Linux-tauglichem Gerät, und ansonsten weiß man sich zu helfen.

Michael Dell verwendet selbst Ubuntu (Foto: Dell).

Und nicht zu vergessen: Linuxer reagieren manchmal etwas emotional; Unterstützung für als Linux-freundlich bekannte Hersteller gehört "in der Szene" zum guten Ton. Und vielleicht ist diese Anwendergruppe inzwischen groß genug, um ein spezielles Angebot zu rechtfertigen.

Vielleicht gelingt es Dell aber auch, Linux als Alternative zu Windows für den "normalen" PC-Käufer zu etablieren – vielleicht über den Preis, vielleicht auch aufgrund von Unzufriedenheit mit Vista. Der Neu-Linuxer wird allerdings auf eine Reihe von Problemen stoßen, die er vielleicht unter Windows, sicher aber nicht unter Linux lösen kann: Warum werden manche Websites nicht korrekt angezeigt? Wie installiere ich das Lieblingsspiel der Kinder? Wo gibt es Treiber für den billigen Multifunktionsdrucker? Wie synchronisiert man PDA und Terminprogramm? Warum wird die Kamera beim Anstecken nicht erkannt? Und so weiter und so fort.

Dass die gekaufte Hardware ohne Verrenkungen funktioniert, mag bei leidgeprüften Linux-Fans Bonuspunkte bringen, für einen Windows-gewohnten PC-Käufer ist das eine Selbstverständlichkeit. Da muss auch der alte Parallelport-Scanner laufen, ein Programm zum Ausfüllen der leidigen Steuererklärung verfügbar sein und das USB-DSL-Modem funktonieren. Dells Initiative könnte so zum Test werden, wie massentauglich Linux tatsächlich ist. Da ist Ubuntu 7.04 sicher keine schlechte Wahl, gilt es doch derzeit als besonders benutzerfreundliche Linux-Distribution (siehe auch Ubuntu 7.04: Erster Test).

Und Canonical? Zu den Linux-Rechnern will Dell auch kostenpflichtigen Support durch Canonical anbieten. Das Unternehmen hat immer erklärt, mit Support das Geld verdienen zu wollen, das die Ubuntu-Entwicklung kostet (auch wenn Ubuntu-Begründer Mark Shuttleworth bislang jedes Jahr noch einen Millionenbetrag zuschießt). Allerdings dachte man dabei sicher eher an Service-Verträge mit Unternehmen, die ihre Alltagsprobleme selbst lösen, als an tausende Privatanwender, die über ihre kleinen Linux-Malaisen jammern.

Ob sich damit Geld verdienen lässt? Sicher hat es seinen Grund, dass Red Hat und Novell längst aufgehört haben, Linux-Boxen an Privatanwender zu verkaufen. Das muss nicht heißen, dass damit kein Geld zu machen ist; aber die dicken Renditen lauern offensichtlich eher im Unternehmensgeschäft als bei den Heimanwendern.

Sofern es Dell überhaupt gelingt, Linux-Rechner an Nicht-Linuxer zu verkaufen. Denn erfahrene Linux-Anwender wissen um den guten Community-Support bei Ubuntu, wissen, wo und wie sie kostenlose Hilfe im Internet finden, und werden größtenteils auf kostenpflichtigen Support verzichten können.

Bleibt zumindest der PR-Effekt. Ubuntu ist (kurz nach Erscheinen der neuen Version 7.04) in den Schlagzeilen, Dell ebenso. Ob die Linux-Desktops und -Notebooks Erfolg haben, wird man vielleicht in einigen Monaten erfahren, falls Dell Verkaufszahlen öffentlich macht. Und vielleicht ziehen andere Hersteller nach.

Der Verbreitung von Linux wird die Initiative von Dell sicher nicht schaden: Schlechtestenfalls zeigt sich, dass Linux (noch) nicht für den Massenmarkt geeignet ist, bestenfalls wird es zur einer ernsthaften Alternative – was dann eine bessere Unterstützung durch Hardware- und Softwarehersteller nach sich ziehen dürfte, wie sie im Servermarkt längst selbstverständlich ist. Und ein bisschen mehr Konkurrenz im Betriebssystemmarkt könnte sicher nicht schaden. (odi) (odi)