Strom aus dem Fenster

Das Dresdner Start-up Heliatek entwickelt flexible Photovoltaik-Folien, die Fenster oder Fassaden zu Stromgeneratoren machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Das Dresdner Start-up Heliatek entwickelt flexible Photovoltaik-Folien, die Fenster oder Fassaden zu Stromgeneratoren machen.

Fenster sollen Licht durchlassen, Solarzellen hingegen absorbieren. Beides zusammen geht nicht? Doch, meint zumindest das Dresdner Start-up Heliatek. Es hat eine organische Photovoltaik-Folie entwickelt, die sich transparent und in verschiedenen Farbtönen – Grün, Blau, Grau – produzieren lässt. Undurchsichtig hat sie einen Wirkungsgrad von zwölf Prozent. Wird sie mit einer Lichtdurchlässigkeit von 40 Prozent hergestellt, sinkt er entsprechend auf 7,2 Prozent.

Für siliziumverwöhnte Photovoltaik-Freunde klingt das zwar nach wenig, doch im Bereich der organischen Photovoltaik (OPV) markiert das den Rekord. Heliatek-Chef Thibaud Le Séguillon will sich auch gar nicht mit klassischen Modulen messen, über die Kosten pro Kilowatt schweigt er sich aus. Dafür lassen sich die flexiblen Folien auch in geschwungene Formen integrieren, etwa in die Glasdächer von Autos. Außerdem sind dort – wie oft auch in den Fassaden von Bürogebäuden – ohnehin abdunkelnde Folien gefragt. Es gebe also keinen zusätzlichen Montageaufwand, argumentiert der gebürtige Franzose. "Dadurch werden wir einen wettbewerbsfähigen Preis haben."

Mit der Idee von flexiblen und transparenten Zellen ist Heliatek nicht allein. Belectric mit Sitz in Franken arbeitet an gedruckten Polymer-Zellen, das österreichische Crystalsol setzt auf kristallines Halbleiterpulver. Heliatek hingegen arbeitet nicht mit Polymeren (langen Kohlenwasserstoff-Ketten), sondern mit Oligomeren (kürzeren Ketten). Zudem wird das Material nicht auf eine Trägerfolie aufgedruckt, sondern im Vakuum aufgedampft.

Le Séguillon ist zuversichtlich, mit dem Heliatek-Verfahren auf das richtige Pferd gesetzt zu haben, weil es sich eng an die Produktion organischer Leuchtdioden (OLEDs) anlehnt und von deren Erfahrung profitieren kann. "Ohne das Öko-System, das die OLEDs geschaffen haben, würden wir nicht existieren", sagt Le Séguillon. Die gesamte OLED-Branche habe sich vor etwa zehn Jahren geschlossen vom Polymerdruck verabschiedet und der Oligomer-Aufdampfung zugewandt. Als Vorteile gegenüber konkurrierenden Verfahren nennt Heliatek "bessere Prozesskontrolle, höhere Effizienz und längere Lebensdauer".

Das Oligomer kommt dazu als feines Pulver in eine beheizte Glasrinne. Bei einer Temperatur von maximal 120 Grad verdampft es und setzt sich auf der Folie fest, die von Rolle zu Rolle an der Rinne vorbeiläuft. Zwei Oligomer-Schichten liegen aufeinander, jede von ihnen wandelt einen anderen Wellenbereich des Lichts in Strom um. Die Rolle-zu-Rolle-Aufdampfung wird in der Industrie schon lange eingesetzt, etwa zur Herstellung von Alufolie. Das Verfahren ist entsprechend robust, preiswert und extrem sparsam: Pro Quadratmeter benötigt es nur ein Gramm Material. "Wir sind die einzige wirklich grüne Solartechnologie", sagt Le Séguillon. "Wir verwenden keinerlei toxische Stoffe, brauchen nur wenig Energie und nutzen ausschließlich reichlich vorhandene und recycelbare Rohstoffe."

Das spezielle Know-how von Heliatek besteht darin, eine extrem gleichmäßige und genaue Beschichtung hinzubekommen. Gemeinsam mit Forschungspartnern haben die Dresdner zudem eine spezielle Metalllegierung für Elektroden entwickelt, die transparent und trotzdem ausreichend leitfähig ist. Laut Le Séguillon ist Heliatek in einigen Punkten bereits der Schwestertechnologie OLED voraus. Die organischen Leuchtdioden krankten bislang vor allem an ihrer mangelnden Haltbarkeit. Heliatek hat damit nach eigenen Angaben kein Problem. "OPV ist offenbar nicht so empfindlich wie OLED", sagt Le Séguillon. Nach 3000 Stunden in der Klimakammer sollen die Heliatek-Zellen nur drei Prozent ihrer Leistungsfähigkeit verloren haben.

Auch in einem anderen Punkt wähnt sich Heliatek den OLED-Herstellern voraus: Leuchtfolien sind so filigran, dass sie bisher zwischen starre Glasplatten eingesperrt werden mussten. Die Heliatek-Folien sind hingegen wirklich flexibel. "Die OLED-Leute werden sich sehr für unsere Ergebnisse interessieren", meint Le Séguillon.

In den letzten zwei Jahren hat Heliatek eine Pilotanlage für 50000 Quadratmeter pro Jahr aufgebaut. Jetzt sucht die Firma nach Geldgebern für eine Fabrik, die eine Million Quadratmeter herstellen kann. Das entspricht 100 Megawatt. Als erste Anwendung haben die Dresdner letztes Jahr auf der Frankfurter Automesse ein gläsernes Autodach mit eingebauten Solarzellen gezeigt. In Herne soll im Mai nun eine unregelmäßig geformte Betonwand mit Photovoltaik-Folie entstehen. Die erste Fensterfassade will Heliatek Ende Juni in Dresden errichten. (grh)