Kampfdrohnen: Autonome Killer vs. staatliche Fürsorgepflicht

Bei einer Anhörung im Bundestag über "unbemannte Luftfahrzeuge" mit "weitergehenden Kampffähigkeiten" prallten unterschiedlichste Meinungen der Experten aufeinander. Bundeswehrvertreter waren geschlossen für eine Aufrüstung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 166 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Ein hochrangiger Bundeswehrvertreter hat sich in einer Anhörung im Bundestag am Montag für die rasche Anschaffung bewaffneter Drohnen ausgesprochen. Soldaten müssten in der Lage sein, ihren parlamentarischen Auftrag mit der besten Ausrüstung und dem besten Schutz zu erfüllen, erklärte Generalleutnant Hans-Werner Fritz, Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, den Standpunkt der Bundeswehr in der aufgeheizten Debatte um Drohnen und ihre Bewaffnung. Die Politik habe die Verantwortung, das Risiko für die eigenen Kämpfenden möglichst gering zu halten. Unbemannte Fluggeräte – "optional mit Waffen" – könnten dabei helfen.

Die gewünschten "Aufklärungsflugzeuge" seien gut geeignet, um große Räume bei beschränkten eigenen Kräften zu überwachen, Daten in Echtzeit nach vorn ins Feld zu bringen und gegebenenfalls sofort zu feuern, führte Fritz sein Plädoyer aus. Zeit sei dabei eine kritische Größe. Der Militärvertreter betonte, dass solche Flugobjekte "immer von Menschen am Boden bedient" werden und es sich nicht um autonome Roboter handle. Der Entscheider für einen Angriff sitze "mit den Augen am Gefechtsfeld" und stehe mit der Drohne und ihrer Steuermannschaft in Verbindung. Das Kampfgeschehen werde so "grundsätzlich nicht verändert".

Die staatliche Fürsorgepflicht könne für den Einsatz bewaffneter Drohnen sprechen, meint auch Oberstleutnant André Wüstner vom Deutschen Bundeswehrverband. Auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, warb für die Anschaffung bewaffneter Fluggeräte, die einen "Sicherheitsgewinn" bedeuteten und geeignet seien, "Begleitschäden" zu vermeiden.

Prinzipiell keine Bedenken gegen einen sachgerechten Einsatz von Kampf-Drohnen hatte der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg. Wer Waffen gegen die Zivilbevölkerung richte oder "Kollateralschäden" nicht zu minimieren suche, verstoße generell gegen das humanitäre Kriegsrecht. Werte wie "Ritterlichkeit" oder Fairness fänden im Recht dagegen keine Grundlage: "Es ist erlaubt, Gegner soweit wie möglich zu neutralisieren." Sein Kollege Thilo Marauhn fügte hinzu, dass auch Steuerungseinheiten sowie Datenverbindung und -speicher von Drohnen legitime militärische Ziele darstellten.

Rüstungsgegner wie Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung warnten dagegen vor zahlreichen offenen sicherheitspolitischen Fragen. So sei noch nicht hinreichend geklärt, wie die umstrittenen Kampfsysteme auf Taktiken und Strategien auch von Gegner wirkten oder sich das Kampffeld beschleunige. Das Fürsorge-Argument ließ er nicht gelten, da damit "jedes Rüstungsprogramm zu rechtfertigen wäre, das die eigene Fähigkeiten erhöht".

Für Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung waren die Ausführungen der Militärs von "nicht überprüfbaren Behauptungen und handfeste Phantasmen" geprägt. Sollten sich bewaffnete Drohnen durchsetzen, sei zu befürchten, dass die Einsatzgebiete der Bundeswehr immer großflächiger würden. Der Trend gehe zudem in Richtung autonomer bewaffneter Drohnen oder Kampfflugzeuge, ergänzte Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik. DIe technische Entwicklung gehe in die Richtung, dass "der Mensch aus der Entscheidungsfunktion immer weiter hinausgenommen wird".

Dazu komme, dass die komplexen IT-Systeme viel anfälliger seien für Cyberangriffe. Mit dem üblichen Härten von Kommunikationsverbindungen sei es da nicht getan. Der Forscher forderte daher ein zumindest "nationales Moratorium" beim Entwickeln autonomer Kampfdrohnen. Dies würde das Eintreten gegen diese Waffengattung etwa auf UN-Ebene glaubwürdig unterfüttern. Derzeit wolle sich kein anderer Staat dem "Fortschritt" entziehen und die europäische Industrie habe dabei trotz nationaler Exporteinschränkungen den Weltmarkt im Visier. (vbr)