Terroropfer wollen Irans Top Level Domain pfänden

Opfer von Terroranschlägen und deren Angehörige haben die iranische Regierung in den USA erfolgreich auf Schadensersatz verklagt. Jetzt versuchen sie, Vermögen des Iran zu pfänden – darunter auch die Netzadresse .ir.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internetverwaltung ICANN muss auf Anordnung eines US-Bundesgerichts ihre geschäftlichen Beziehungen zur Regierung des Iran im Zusammenhang mit der Länderdomain .ir offenlegen. Das Gericht folgte damit dem Antrag einiger Terroropfer, denen US-Gerichte zuvor Schadensersatz von der iranischen Regierung zugesprochen hatten und die nun versuchen, die iranischen Top Level Domains zu pfänden.

Von einer möglichen Pfändung der Domain .ir wäre auch die offizielle Website des Iran betroffen.

(Bild: Screenshot)

Hintergrund ist ein US-Verfahren, in dem die in den USA lebende Familie eines bei einem Terroranschlag der Hamas im Gaza-Streifen verletzten Mannes und andere Opfer sowie deren Angehörige den Iran erfolgreich auf Schadensersatz verklagt hatten. Die Regierung des Iran wird für die Unterstützung und Finanzierung von Terroranschlägen im Nahen Osten verantwortlich gemacht.

Laut der gerichtlichen Anordnung von vergangener Woche soll die ICANN nun zunächst alle Informationen bezüglich der an den Iran "lizenzierten" Top Level Domains .ir und ایران sowie genutzter IP-Adressen herausrücken. Zudem verlangen die Kläger Auskunft über mögliche Geldflüsse zwischen der privaten Netzverwaltung und dem iranischen Ministerium für Information und Sicherheit.

ICANN, IANA & Co.: Die Verwaltung des Internets

Diverse Organisationen sind für die Verwaltung des Internets zuständig - die ICANN und die ihr zugeordnete IANA etwa verwalten die weltweiten IP-Adressen und die DNS-Rootzone, die IETF ist für die Protokollstandards verantwortlich. Bis vor kurzem noch bedingte sich die USA die letzte Entscheidungsgewalt aus.

"Es ist das erste Mal, dass Terroropfer versuchen, Domainnamen zu pfänden", erklärte die Klägeranwältin Nitsana Darshan-Leitner vom Shurat HaDin Israel Law Center. In einem ähnlichen Verfahren hatte ein Gericht im April entschieden, dass Angehörige von 9/11-Opfern ein Bürogebäude in Manhattan pfänden können. Der Wert des bisher iranischen Unternehmen gehörenden Hochhauses wird auf über 500 Millionen US-Dollar geschätzt.

Der Pfändungsversuch dürfte ins Leere laufen, meinen unterdessen Branchenvertreter. Die ICANN habe mit der Vergabe der IP-Adressen an den Iran nichts zu tun, Provider erhalten die Nummern vom europäischen Adressverwalter RIPE NCC in Amsterdam. ICANN habe überdies nur mit wenigen Länderadressregistries (ccTLDs) überhaupt Verträge, der Iran gehöre nicht dazu. Allenfalls könne ICANN verpflichtet werden, die TLD aus der Root zu nehmen – ein für die USA politisch heikler Schritt. Die Souveränität aller Länder über ihre Top Level Domains gilt als allseits anerkannt.

Die Aufregung über .ir kommt für die ICANN zur Unzeit, hat die private Netzverwaltung doch gerade erst den Konsultationsprozess zur Zukunft der Aufsicht über die Rootzone begonnen. ICANN-Sprecher Brad White mochte die gerichtliche Anordnung daher zunächst auch nicht kommentieren. (vbr)