"Mein Kampf" per Web-Order (Update)
Die US-Web-Buchhändler barnesandnoble.com und Amazon haben unter Umgehung der Gesetze Nazi-Literatur an deutsche Kunden verkauft.
Die US-Web-Buchhändler barnesandnoble.com und Amazon haben unter Umgehung des Strafgesetzes Nazi-Literatur an deutsche Kunden verkauft. Nach einer offiziellen Beschwerde des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles will nun das Bundesjustizministerium den Vorfall untersuchen.
In einem Brief an Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin bittet das Simon-Wiesenthal-Zentrum um "sofortige und effektive" Reaktion. Die übers Internet bestellten Bücher, darunter auch Hitlers "Mein Kampf", würden den Kunden direkt ins Haus geschickt. Dies sollte eigentlich das deutsche Strafgesetzbuch verhindern. Paragraf 86 verbietet die Verbreitung von Propagandamitteln, "die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen oder deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist".
Mit weiteren Schreiben wandte sich das Zentrum auch an amazon.com und an das Gütersloher Medienunternehmen Bertelsmann, das mit 40 Prozent an barnesandnoble.com beteiligt ist. In den Briefen fordert die Organisation die Web-Verkäufer auf, sicherzustellen, dass sie nicht unbeabsichtigt zum Vertreiber von Hass in Deutschland würden. Pikanterweise steht Bertelsmann nun erneut im Fadenkreuz der amerikanischen Öffentlichkeit. Ende letzten Jahres hatte der Soziologe Hersch Fischler von der US-Presse vielbeachtete Untersuchungen zu Bertelsmanns Rolle als Verleger im Dritten Reich publiziert.
Während der Gütersloher Medienkonzern eine sorgfältige Prüfung der Vorwürfe zusagte, will Amazon die Angelegenheit offensichtlich auf sich beruhen lassen. Die New York Times zitierte eine Amazon-Sprecherin mit den Worten: "Wir sind ein US-Laden. Wir betrachten den Vorgang so, als ob ein Deutscher hier [in den USA] diese Bücher kauft". Amazons deutscher Ableger zumindest würde keine verbotene Lektüre verkaufen.
Mittlerweile ließ Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin erklären, ihr Ministerium wolle politisch gegen den Verkauf von Nazi-Lektüre im Internet vorgehen. Dazu plane sie ein Gespräch mit ihrer US-Amtskollegin Janet Reno. Ein Sprecher des Justizministeriums stellte allerdings klar, dass der Verkauf von "Mein Kampf" in den USA gestattet sei. Deshalb könne Deutschland bei einem Rechtshilfeersuchen nicht mit amerikanischer Unterstützung rechnen. Etwas anders sei es, wenn Verantwortliche der Firmen nach Deutschland reisen. Dann könne die deutsche Justiz eingreifen.
Auch Bertelsmann will sich jetzt in den Staaten für einen Verkaufsstopp von Nazi-Literatur an deutsche Kunden stark machen. Bertelsmann-Sprecher Manfred Harnischfeger erklärte, man habe bereits den Mitgesellschafter bei barnesandnoble.com, die US-Buchhandelskette Barnes & Noble, auf die Gesetzeslage in Deutschland hingewiesen. Zugleich betonte Harnischfeger allerdings, dass die von Bertelsmann angestrebte Regelung das grundsätzliche Problem nicht löse. Politik und Wirtschaft müssten darauf hinwirken, den internationalen Rechtsrahmen für E-Commerce zu harmonisieren. (em)