Kommentar: Hurra, Aperture ist endlich tot!

Mit der markentypischen Chuzpe hat Apple neulich und ohne viel Aufhebens Aperture und iPhoto abgekündigt, die einst hochgelobte Mediathek ist auch passé. Es gibt gute Gründe, warum selbst eingefleischte Apple-Fanboys darüber nicht empört, sondern entzückt sein sollten.

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Von
  • Sascha Steinhoff

Mit der markentypischen Chuzpe hat Apple neulich und ohne viel Aufhebens Aperture und iPhoto abgekündigt, die einst hochgelobte Mediathek ist auch passé. Es gibt gute Gründe, warum selbst eingefleischte Apple-Fanboys darüber nicht empört, sondern entzückt sein sollten.

Apple beerdigt Aperture, die Nachricht hat bei langjährigen Anwendern für große Entrüstung gesorgt. Ich bin nicht entrüstet, ich bin begeistert! Bei nüchterner Betrachtung hat Apple damit nämlich allen einen großen Gefallen getan. In erster Linie – wie immer halt - sich selbst, aber auch seinen Anwendern und natürlich dem Erzkonkurrenten Adobe.

Aus der Sicht von Apple ist es wenig sinnvoll erhebliche Ressourcen in die Entwicklung einer professionellen Software für die Raw-Entwicklung zu investieren. Apple ist ein Wirtschaftsunternehmen und es möchte Geld verdienen. Der derzeitige unfassbare Reichtum von Apple Inc. wurde aber nicht mit anspruchsvollen Produkten für professionelle Anwender erzielt. Das große Geld kam erst mit dem iPod, dem iPhone und zuletzt dem iPad. Alle drei Produkte sind so konzipiert, dass sie nötigenfalls auch von einer dressierten Meerkatze bedient werden können. Und genau darin liegt natürlich der Grund für ihren Markterfolg. Egal ob jung oder alt, dick oder dünn, hoch gebildet oder strohdumm: Alle Bevölkerungsschichten patschen mit großer Begeisterung auf diversen iOS-Geräten herum.

Aperture war hingegen nie einfach zu bedienen. Selbst wenn man der Anwendung wohlwollend zugute hält, das sie sich an den versierten Anwender richtet: Aperture war und ist eine zwar hochglanzpolierte aber eben auch verflixt umständlich zu handhabende Anwendung. Bei den Features war gegen Lightroom in der Summe auch nie ein Kraut gewachsen. Kein Wunder, dass Apple sein einstiges Vorzeigeprodukt am Ende über den App-Store verramschte. Ohne Testversion selbstredend; „buy before you try“ hieß die Devise. Die Entwicklungsbudgets wurden ganz offensichtlich im Laufe der Jahre weg von Aperture hin zu den vielfach profitableren iOS-Spielzeugen umgeleitet. Für Adobe ist die neue Situation natürlich ein Fest. Die Frage Aperture oder Lightroom stellt sich nun nicht mehr. Als ambitionierter Fotograf muss man sich eigentlich nur noch zwischen Box oder Cloud entscheiden, an Lightroom führt kein Weg mehr vorbei.

Gerade eingefleischte Apple-Anwender sollten sich dennoch frohen Herzens mit der aktuellen Situation arrangieren. Das gilt auch für sogenannte Intensivnutzer, die zehntausende Bilder mit Aperture verwalten. So welche soll es ja irgendwo geben und die sind vermutlich sehr geknickt darüber, dass die jahrelang gepflegten Einstellungen in der Mediathek bald komplett nutzlos sind. Aber hey: So ist das halt mit den vielgepriesenen Datenbankfunktionen aktueller Raw-Konverter. Die Einstellungen werden teils in der Datei gespeichert, teils im Sidecar und teils in der Datenbank. Und wenn man irgendwann die Anwendung wechseln muss oder möchte, gibt es regelmäßig ein heilloses Durcheinander. Das ist inzwischen bei den meisten Herstellern so, Lightroom ist da keine Ausnahme. Das ist gut für die Hersteller, denn wenn man einmal Kunde ist, kommt man aus der Geschäftsbeziehung nicht ungerupft heraus. Wer sich nach Jahren intensiver Nutzung von seinem Raw-Konverter verabschieden muss, kann mit einem Kollateralschaden rechnen, der dem einer Ehescheidung nur geringfügig nachsteht. Das ist natürlich besonders ärgerlich, wenn einem wie im Fall von Aperture der Koffer vor die Tür gestellt wird.

Für das kommende Jahr hat Apple eine App mit dem schlichten Namen Photos angekündigt. Sie soll deutlich weniger Funktionen haben als ihre Vorgänger iPhoto und Aperture. Die Migration der Mediatheken soll zwar möglich sein. Ohne eine entsprechend leistungsfähige neue Anwendung dahinter wird es auf ein Downgrade hinauslaufen.

Aber ist das eigentlich schlimm? Hand auf's Herz, liebe Apple-Besitzer: Was wollt ausgerechnet Ihr eigentlich mit fetten Bilddatenbanken und feature-gespickten Anwendungen? Man kauft sich einen Mac doch nicht als Technik-Freak, sondern weil man von komplizierter Technik möglichst verschont bleiben möchte. Und genau da geht die Reise mit der App Photos doch auch hin. Die Bildbearbeitung auf dem Mac wird vielleicht nicht unbedingt besser, aber in jedem Fall einfacher werden. Und das ist eine gute Nachricht! (sts)