Wechselspiel: Zeit und Blende

Man muss nicht Fachbegriffe und Formeln büffeln, um die grundlegenden Zusammenhänge der Fotografie zu verstehen: Die treffende Kombination von Blende und Belichtungszeit ist keine große Kunst - nur muss sie halt vor der Aufnahme gewählt werden.

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Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Johannes Leckebusch
Inhaltsverzeichnis

Das klingt verdächtig nach Büffeln von Fachbegriffen und Formeln – aber so kompliziert wollen wir es hier gar nicht angehen. In einer kleinen Artikelreihe stellen wir das Basiswissen der Fotografie zusammen, größtenteils einfache Zusammenhänge mit viel Ausprobier-Potential, die von jedem frischgebackenen Spiegelreflex-Besitzer leicht nachvollzogen werden können. Innerhalb der einzelnen Folgen werden Sie über Querverweise auf benachbarte Sachzusammenhänge verwiesen: Also beispielsweise vom Thema "Blende und Schärfentiefe" auf den "Formatfaktor" und auf Brennweiten – denn es gibt Zusammenhänge zwischen Schärfentiefe, Brennweite, Abbildungsmaßstab und somit auch Aufnahmeformat. Aber eines nach dem anderen – was ist überhaupt "Schärfentiefe"?

Die Bildreihe "Herbstlaub im Gegenlicht" zeigt den gestalterischen Spielraum, über den ein Fotograf durch Variieren von Zeit und Blende verfügt: Duftig oder nüchtern ... Sie haben die Wahl!

Sie sehen zu Anfang ein Bild mit einer sehr eng begrenzten Schärfe. Nicht ein einziges Blatt ist zur Gänze scharf – je nachdem, in welcher Entfernung sie sich von der Kamera befanden, mal ist nur die Vorderkante oder die Rispe in der Mitte scharf – alles, was näher oder weiter weg an dieser "Schärfeebene" liegt, verschwimmt sofort. Vom Hintergrund ist außer einer dunklen Fläche oben, einer mittelgrauen unten und ein paar runden hellgrauen Flecken gar nichts zu erkennen. Je weiter die Blende geschlossen wird, desto mehr dehnt sich diese "Schärfentiefe" nach vorne und hinten aus, bis am Schluss der Hintergrund einigermaßen erkennbar ist (dazu mehr im kommenden Teil 2: Der Zusammenhang zwischen Brennweite, Format, Abbildungsmaßstab und Schärfentiefe). Kräftige Glanzlichter, die sich vor oder hinter der eigentlichen "Schärfenebene" befinden, verschwimmen zu "Zerstreuungsscheibchen", die je nach Objektivkonstruktion auch wie Vielecke aussehen können, da sie eigentlich Abbildungen der Blendenöffnung durch Punktlichter darstellen. Die je nach Objektiv unterschiedliche Anmutung der Vorder- und Hintergrundunschärfe wird als Bokeh bezeichnet.

Was bewirkt den Unterschied zwischen diesen Fotos, die alle mit demselben Objektiv, aus demselben Abstand und mit derselben "Brennweite" aufgenommen wurden? Es sind die unterschiedlichen Blendeneinstellungen, die Blende war beim ersten Bild vollständig geöffnet und wurde dann von Bild zu Bild weiter geschlossen. Da hierdurch das Bild immer dunkler wird (wie man im Sucher feststellen kann, wenn man die Blendentaste an der Kamera drückt), muss die Belichtung durch Verlängern der Belichtungszeit ausgeglichen werden. Bei diesen Aufnahmen war die Kamera fest auf einem Stativ montiert, so dass sich immer der exakt gleiche Bildausschnitt ergab und "Verwackeln" ausgeschlossen war.

Die korrekte Belichtung eines Fotos hängt – außer von der Helligkeit und dem Kontrast des Motivs selbst – von drei Größen ab: Der Belichtungszeit, die normalerweise in Sekundenbruchteilen angegeben wird, der Blende und der Film- oder Sensorempfindlichkeit. Auf die Motivhelligkeit kann man zwar durch Blitzlicht, Aufhellblitz oder Fotolampen Einfluss nehmen, aber das ist nicht immer möglich und auch nicht immer wünschenswert. Daher passt man die anderen Faktoren an – oder überläßt dies der Automatik in der Kamera, die das mehr oder wenig gut beherrscht. Jedoch haben diese variablen Parameter auch Nebenwirkungen, die gestalterisch erwünscht oder aber auch unerwünscht sein können. Man sollte sie nicht nur kennen, um zu verstehen, warum manche Fotos danebengehen, sondern auch, weil sie wesentliche Gestaltungsmittel des Fotografen sind – etwa so wie Pinselstrich und Farbauftrag des Malers.